Ernährungskonzepte
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SCD | Verzicht auf komplexe Kohlenhydrate

SCD

Die SCD (Specific Carbohydrate Diet) wurde bereits in den 50er Jahren in den USA von Dr. Sidney Valentin Haas entwickelt. Bekannt gemacht wurde das Konzept aber erst durch die Biochemikerin Elaine Gottschall, deren 8-jährige Tochter an einer schweren Colitis Ulcerosa litt und die bisher durch keine medizinische Behandlung eine Besserung erfahren hatte. Dr. Haas brachte sie mithilfe der SCD innerhalb von zwei Jahren in eine angeblich bis heute anhaltende Remission.

Dr. Haas entwickelte die SCD eigentlich, um Zöliakie-Patienten zu behandeln, die unter einer glutenfreie Ernährung immer noch Symptome zeigten. Im Grunde handelt es sich bei der SCD um eines der ersten Ernährungskonzepte, die den Einfluss des Mikrobioms auf die Darmgesundheit berücksichtigen. Auch, wenn die Forschung diesbezüglich damals noch in den Kinderschuhen steckte.

Das Konzept basiert stark vereinfacht auf der Annahme, dass bestimmte Kohlenhydrate die „schlechten Bakterien“ im Darm füttern, wenn sie aufgrund fehlender Enzyme im Dünndarm nicht aufgespalten werden und unverdaut in den Dickdarm gelangen. Durch die Vermehrung sogenannter „Gärungsbakterien“ im Dickdarm kommt es dann zu einem Aufsteigen von Dickdarmbakterien in den Dünndarm. Dort verursachen sie eine Dünndarmfehlbesiedlung, die schlussendlich zu einer Entzündung führt. Die geschädigte Dünndarmschleimhaut ist daraufhin noch weniger in der Lage, Nährstoffe aufzunehmen, sodass immer mehr unverdaute Bestandteile in den Dickdarm gelangen und dort dafür sorgen, dass es zu weiteren Gärungsprozessen und somit einem toxischen, entzündungsfördernden Milieu kommt.

Neben der Entzündung kommt es außerdem zu einer Mangelernährung, da der Darm im entzündeten Zustand nur noch wenig Nährstoffe aufnehmen kann.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, (Elaine Gottschall nannte ihr Buch deshalb auch „Breaking the Vicious Cycle“), soll man auf bestimmte Kohlenhydrate verzichten.

WAS BEDEUTET „SPEZIELLE KOHLENHYDRATE“?

Elaine Gottschall, wie auch Dr. Haas gingen davon aus, dass CED-Betroffene und Zöliakie-Kranke mehrkettige Kohlenhydrate nur schlecht bis gar nicht verdauen können. Hier ein kurzer Überblick zu den in unserer Ernährung am häufigsten enthaltenen Kohlenhydraten:

  • Monosaccharide (Einfachzucker) wie z.B. Glucose (Traubenzucker), Fruktose (Fruchtzucker) und Galaktose (Schleimzucker)
  • Disaccharide (Zweifachzucker) wie z.B. Saccharose (Haushaltszucker), Laktose (Milchzucker), Maltose (Malzzucker)
  • Oligosaccharide (3 bis 9 Bausteine) wie z.B. Raffinose, Stachyose – als Bestandteil von Hülsenfrüchten
  • Polysaccharide (ab 10 Bausteinen) z.B. Stärke in Kartoffeln, Getreide und Reis

In der Annahme, dass Monosaccharide vom Dünndarm am einfachsten und schnellsten aufgenommen werden, empfiehlt die SCD deshalb auf alle mehrkettigen Kohlenhydrate zu verzichten. So soll sich der Darm erholen können und seine Verdauungsleistung wieder hergestellt werden.

DARMENTLASTUNG UND MODIFIZIERUNG DER DARMFLORA

Honig ist das einzig erlaubte Süßungsmittel (neben dem künstlichen Süßstoff Saccharin – was ich persönlich eher bedenklich finde, da er, wie die meisten Süßstoffe, Reizdarm-ähnliche Symptome auslösen kann). Honig besteht zum großen Teil aus freier Fruktose, also einem Monosaccharid und zu weiteren Teilen (je nach Sorte) aus freier Glukose und einem nur minimalen Anteil an Saccharose.

Erlaubt sind außerdem:

  • Frisches Obst, Dosenobst (natürlich nur ungesüßt!), Trockenfrüchte
  • stärkearmes Gemüse
  • Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Eier
  • Selbst hergestellter Joghurt (24 Stunden fermentiert und deshalb frei von Laktose)
  • Bestimmte, lange gereifte, Käsesorten
  • Nüsse & Samen

Nicht erlaubt sind:

  • Alle Getreidesorten und die daraus hergestellten Mehle
  • Alle glutenfreien Stärkequellen, wie Reis, Hirse, Buchweizen, Quinoa, Amaranth
  • Alle stärkehaltigen Gemüse, wie Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maniok, Mais, Soja, sowie die meisten Hülsenfrüchte
  • Alle Milchprodukte, mit Ausnahme der oben genannten (auch alle als „laktosefrei“ deklarierten, industriell hergestellten Milchprodukte)

Eine wirklich sehr detaillierte deutsche Liste der erlaubten und nicht erlaubten Lebensmittel findest du hier.

MEINE PERSÖNLICHE ERFAHRUNG MIT DER SCD

Ich habe die SCD zweimal ausprobiert. Das erste Mal vor fast 10 Jahren, als erstes Ernährungsexperiment überhaupt. Von Ernährung hatte ich bis dahin herzlich wenig Ahnung. Mir ging es mal wieder richtig schlecht und ich hatte angefangen im Internet nach Alternativen zur Schulmedizin zu recherchieren. Obwohl ich eigentlich sehr kritisch bin und auch schnell misstrauisch werde, wenn etwas ohne Wenn und Aber in den Himmel gelobt wird, habe ich mich ziemlich schnell von den vielen Erfolgsgeschichten, die man vor allem auf US-Blogs lesen kann, begeistern lassen.

Ich dachte mir – was kann schon passieren? So à la: was nicht tötet, härtet ab. Von heute auf morgen bin ich dann von einer sehr Zucker- und Kohlenhydrat-lastigen, eher Obst- und Gemüse-armen Ernährung auf die SCD umgestiegen. Direkt und ohne die empfohlenen Intro-Diät zu befolgen.

Ohne meine individuellen Unverträglichkeiten zu kennen, habe ich mich ca. 4 Wochen lang strikt an die erlaubten Lebensmittel gehalten. Da ich schon immer untergewichtig war (und es bis heute noch bin), habe ich versucht, die fehlenden KH-Kalorien durch viel Honig, Obst und selbst gebackene Kekse und Brot aus Nussmehlen zu ersetzen. Ein riesengroßer Fehler, wie sich später herausstellte. Mir ging es immer schlechter. Ich hatte Bauchkrämpfe ohne Ende, mir war ständig übel, ich fühlte mich von Tag zu Tag schwächer, hatte wahnsinnige Stimmungsschwankungen und verlor stetig an Gewicht.

KEIN „ONE-SIZE-FITS-ALL“

Nach vier Wochen brach ich das Experiment ab. Im Nachhinein (nach der Diagnose „Fruktose-Intoleranz“) ist es mehr als offensichtlich, dass die großen Mengen an Obst und Honig, sowie die ungewohnten Ballaststoffe aus Nussmehlen meinem ohnehin schon entzündeten Darm ziemlich heftig zugesetzt haben.

Viel Später, nachdem ich schon einige andere Strategien ausprobiert hatte und ziemlich genau wusste, was ich vertrage und was nicht, habe ich der SCD noch mal eine Chance gegeben. Diesmal mit Intro-Diät und vorsichtigem Wiedereinführen von Lebensmitteln. Ich habe außerdem komplett auf Milchprodukte verzichtet, da ich kein Milcheiweiß vertrage. Honig habe ich durch Reis-Sirup (Glukose) ersetzt.

Der Verzicht auf Stärke, gepaart mit den vielen individuellen Einschränkungen, die sich aus meinen Unverträglichkeiten ergeben (kein Joghurt, kein Käse, fast kein Obst und eine nur beschränkte Gemüse-Auswahl) machten die SCD für mich persönlich zu einer sehr restriktiven und genussfeindlichen Ernährungsweise. Zudem merkte ich keinen wirklich Unterschied bzw. keine Verbesserung mehr zu meiner inzwischen cleanen, zuckerarmen, gluten- und milcheiweißfreien Ernährung und ich verlor schon wieder an Gewicht, sodass ich auch den zweiten Versuch nach ca. 6 Wochen abbrach.

DIE SCD HAT STANDARDS GESETZT

Generell bin ich ein großer Fan der Idee, das Mikrobiom durch eine Ernährungsumstellung zu modifizieren. Man weiß heute, dass CED-Patienten eine geringere mikrobielle Diversität aufweisen, den Pathomechanismus dahinter kennt man aber noch nicht wirklich. Ich bin aber sicher, dass die Forschung auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse gewinnen wird. Und damit meine ich nicht nur auf dem Gebiet der CED – das Mikrobiom bietet generell ein unglaublich spannendes Potenzial für neue medizinische Ansätze. Du merkst, ich brenne wirklich für dieses Thema, aber das würde hier zu weit führen…

Für die damalige Zeit war die SCD sicherlich geradezu revolutionär, wenn man bedenkt, dass in den USA der 60er Jahre Convenience-Food als modern, gesund und schick galt. Wie alle Ernährungsmodelle, die ich in meinem Blog vorstelle, basiert die SCD fast ausschließlich auf frischen und unverarbeiteten Lebensmitteln.

Abgesehen davon, dass die SCD, wie wirklich jedes andere Ernährungs-Konzept auch, immer individualisiert werden sollte (es ist ein sehr amerikanischer Ansatz, dass man eine Ernährungsform, wenn man sie einmal gewählt hat, immer zu 100% nach Protokoll durchziehen muss, damit sie erfolgreich ist), denke ich, dass sie ein paar wirklich gute Ansätze verfolgt.

BASIS FÜR NEUE KONZEPTE

Zum Teil ist die SCD bereits durch neue Erkenntnisse der Ernährungsmedizin widerlegt worden. Man weiß heute beispielsweise, dass sogenannte resistente Stärke, die z.B. in Kochbananen, abgekühltem Reis und Kartoffeln vorkommt, das Wachstum nachweislich sehr vorteilhafter Bakterien im Darm fördert (z.B. Faecalibacterium Prausnitzii).

Die Umass Medical School of Massachusetts hat auf Basis der SCD eine moderne Ernährungstherapie für die Behandlung von CED entwickelt, die IBD-Anti Inflammatory Diet (IBD-AID). Sie übersetzt damit die Grundlagen der SCD quasi ins neue Jahrtausend. Ich habe dazu ebenfalls einen ausführlichen Post geschrieben.

Unbestritten ist aber, dass die SCD wirklich schon vielen Menschen geholfen hat. In den USA gibt es, im Gegensatz zu Deutschland, viele Ernährungsberater und einige Mediziner, die die SCD bei der Behandlung ihrer Patienten mit einbeziehen. An dieser Stelle möchte ich den tollen Podcast „Against the grain“ von Dr. Samir Kakodkar empfehlen, eines amerikanischen Gastroenterologen, der selbst an Colits Ulcerosa erkrankt ist. Er interviewed zum Thema Ernährung und CED verschiedene Ärzte, Wissenschaftler und vor allem auch Betroffene, die zum Teil sehr gute Erfahrungen mit der SCD gemacht haben. Unter anderem spricht er mit der Tochter von Elaine Gottschall, die diese Ernährungsform seit inzwischen über 50(!!) Jahren praktiziert. Auf jeden Fall hörenswert.

MEIN FAZIT

Für mich ist die SCD definitiv nichts. Aufgrund meiner Fruktose-Intoleranz komme ich mit der Empfehlung bezüglich Honig und Obst überhaupt nicht klar. Ich habe einen isolierten Dünndarm-Crohn, der sehr zur Stenosenbildung (Vernarbung und Verengung einzelner Darmabschnitte) neigt, deshalb bin ich schon häufig operiert worden und mein Dünndarm ist mittlerweile ziemlich kurz und extrem vernarbt. Außerdem habe ich seit der letzten OP starke Verwachsungen. Ballaststoffe toleriere ich deshalb generell nur bis zu einem gewissen Grad. Ich versuche immer, so viel wie möglich davon zu essen, aber eben nur so viel, dass sie keine Beschwerden verursachen. Das kann manchmal ganz schön tricky sein.

Meiner Erfahrung aus diversen Facebook-Gruppen nach scheint die SCD vor allem die Symptome bei Betroffenen mit Colitis Ulcerosa oder aber einem Morbus Crohn mit starker Dickdarm-Beteiligung zu verbessern.

Generell würde ich allerdings dringend davon abraten, die SCD in einem schweren Schub auszuprobieren. Ich halte nichts von extremen Ernährungsumstellungen während der Darm stark entzündet ist. Auch wenn viele Testimonials im Internet berichten, dass sie alleine mithilfe der SCD aus einem Schub heraus gekommen sind.

Aus eigener Erfahrung rate ich außerdem jedem ab, der eher untergewichtig ist, da man, bis der Körper sich an die kohlenhydratarme Ernährung gewöhnt hat, auf jeden Fall abnimmt (für manche ist das aber vielleicht auch ein willkommener Nebeneffekt). Am besten wäre es natürlich, sich bei einer Ernährungsumstellung professionell begleiten zu lassen.

Solltest du einen Selbstversuch starten wollen, ist es meiner Meinung nach unabdingbar, dass du zuerst herausfindest, wo genau deine individuellen Unverträglichkeiten liegen. Ich finde, dass sich generell jeder CED-Betroffene auf Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie Zöliakie testen lassen sollte!

Zu Beginn jeder Ernährungsumstellung ist außerdem das Führen eines Ernährungs-Tagebuchs mehr als sinnvoll. Im Grunde kann man es einfach frei z.B. in einem Notizbuch führen. Es gibt aber auch Vorlagen, die man sich downloaden kann oder für diejenigen, die es lieber digital mögen, diverse Apps (ich empfehle die von Cara Care – ursprünglich für Reizdarmpatienten entwickelt – sie funktioniert auch ohne das kostenpflichtige Ernährungsprogramm).

So kannst du recht schnell herausfinden, was dir ganz persönlich bekommt und was du vielleicht besser (zunächst) weglassen solltest, auch wenn das Lebensmittel laut Liste erlaubt ist. Ganz wichtig ist auch, dass du auf den Ballaststoffgehalt bzw. die Textur eines Lebensmittels achtest, wenn du Stenosen hast. In schlimmen Phasen habe ich, bis auf Fisch und Fleisch fast alles tot gekocht oder püriert.

Bevor du startest, solltest du dich auf jeden Fall gründlich informieren und für den Austausch (am Anfang kann eine Ernährungsumstellung echt ganz schön schwierig sein) am besten einer Facebook-Gruppe beitreten.

FÜR DIE WEITERE RECHERCHE

  • Infos aus erster Hand: Das Buch „Breaking the Vicious Cycle: Intestinal Health Through Diet“ von Elaine Gottschall oder auf Deutsch: „Diät bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Chancen durch reizarme Ernährung. So hilft die Spezielle Kohlenhydrat-Diät“, (soweit ich weiß leider nur noch gebraucht erhältlich).
  • Die beste amerikanische Website zum Thema ist meiner Ansicht nach thepecanbread.com. Schon etwas älter (unschwer am anstrengenden Layout zu erkennen), aber immer noch eine unerschöpfliches Quelle an Informationen und praktischen Tipps zur Umsetzung der Diät. Die Seite richtet sich ursprünglich an Eltern von an CED bzw. Autismus erkrankten Kindern.
  • Natürlich kann man sich auch direkt auf der offiziellen SCD-Website breakingtheviciouscycle.info informieren.
  • Deutsche Websites sind eher dünn gesät. Gut recherchierte Infos findest du z.B. auf scd-blog.de.

QUELLEN

  • Tanja V. Maier, Marianna Lucio, Lang Ho Lee, Nathan C. VerBerkmoes, Colin J. Brislawn, Jörg Bernhardt, Regina Lamendella, Jason E. McDermott, Nathalie Bergeron, Silke S. Heinzmann, James T. Morton, Antonio González, Gail Ackermann, Rob Knight, Katharina Riedel, Ronald M. Krauss, Philippe Schmitt-Kopplin, and  Janet K. Jansson (2017): „Impact of Dietary Resistant Starch on the Human Gut Microbiome, Metaproteome, and Metabolome“, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5646248/, {2020, 10. November}

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