Ernährungskonzepte
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Paleo | Essen wie in der Steinzeit?

Die Paleo-Ernährung orientiert sich am Ernährungs-Stil unserer steinzeitlichen Vorfahren, frei nach dem Motto: Was damals zum Überleben und zur gesunden Entwicklung des Menschen beigetragen hat, muss gut sein. Im Fokus stehen also Lebensmittel, die theoretisch bereits in der Steinzeit verfügbar waren. Paleo ist kein ernährungstherapeutischer Ansatz, sondern eher ein Lifestyle, der neben Ernährung auch noch Aspekte wie Bewegung, Entspannung und Schlaf berücksichtigt. Das macht das Konzept trotzdem nicht weniger interessant – denn genau diese Themen spielen bei der ganzheitlichen Behandlung von chronischen Erkrankungen ebenfalls eine Rolle.

Es ist nicht ganz einfach, das Paleo-Konzept sachlich darzustellen, da es, genau wie der Veganismus, in den letzten Jahren einen großen Hype erfahren hat. Durch seine teilweise starke Kommerzialisierung bekommt man den Eindruck, es hier mit einer reinen Mode-Erscheinung zu tun zu haben. Das ist meiner Meinung nach aber nicht ganz richtig.

ARTGERECHTE ERNÄHRUNG

Es ist kaum verwunderlich, dass Paleo, wie viele andere, teilweise durchaus radikale, Ernährungskonzepte seinen Ursprung in den USA hat. Wohl kaum eine andere Nation ernährt sich derart ungesund und hat eine so hohe Übergewichtigen-Quote. Die „Standard American Diet“ (SAD) steht für:

  • Einen erhöhten Konsum von gesüßten Getränken (Limonaden, Sportgetränke, Energy-Drinks)
  • Einen erhöhten Konsum von stark verarbeiteten Getreideprodukten (Cerealien!)
  • Einen generell sehr hohen Konsum von industriell stark verarbeiteten Lebensmitteln
  • Einen geringen Verzehr von Obst und Gemüse
  • Einen geringen Verzehr von Lebensmittel, die Enzyme enthalten (Rohkost oder fermentierte Lebensmittel, wie Joghurt oder Kefir)

Paleo verfolgt den Ansatz, dass Zivilisationskrankheiten wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes, aber auch chronisch-entzündliche Erkrankungen, wie z.B. Zöliakie, Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose und eben auch CED erst mit der Einführung von Ackerbau und Viehzucht bzw. später verstärkt im Rahmen der Industrialisierung der Lebensmittelherstellung auftraten.

Das Konzept geht davon aus, dass sich das Verdauungssystem des Menschen in der, im Vergleich zu seiner evolutionären Gesamtentwicklung, doch recht kurzen Zeit von etwa 10.000 Jahren noch nicht an die moderne Ernährung anpassen konnte. Die eigentlich artgerechte Ernährung des Menschen ist nach Paleo deshalb die Ernährung seiner steinzeitlichen Vorfahren.

VON JÄGERN UND SAMMLERN

Hier zeigt sich jedoch auch die ideologische Schwäche des Konzepts: Seine Anhänger geben oft an, dass Paleo im Prinzip der Ernährung der noch heute als Jäger und Sammler lebenden Völker entspricht. Tatsächlich gibt es hier jedoch riesige Unterschiede, je nach Lebensraum, und reicht von überwiegend vegetarischer Kost bei den nordamerikanischen Gwi bis zur fast ausschließlichen Ernährung von Fleisch und Fisch bei den Inuit in Grönland. Genausowenig gab es in der Steinzeit eine eiheitliche Ernährungsform.

Trotzdem ist die Paleo-Ernährung für CED-Betroffene eine nähere Betrachtung wert. Ihr Fokus auf natürliche, unverarbeitete Lebensmittel, sowie der Verzicht auf für manche CED-ler ohnehin unverträgliche Lebensmittel, wie Gluten, Milch und Industriezucker machen das Konzept zu einer spannenden Ausgangsbasis für ganz individuelle Modifikationen.

Nicht erlaubt sind:

  • Getreide in jeglicher Form (Flocken, Brot, Backwaren, Pasta, Pizza etc.), inklusive Mais, Reis, Hirse und Pseudogetreide, wie Quinoa und Amaranth
  • Hülsenfrüchte, wie Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Erbsen, Soja und Erdnüsse
  • Milchprodukte (auch von Ziege oder Schaf)
  • Haushaltszucker und künstliche Süßstoffe
  • Verarbeitete Lebensmittel, Lebensmittelzusatzstoffe
  • Softdrinks und zuckerhaltige Getränke
  • Raffinierte Pflanzenöle (Margarine, Sonnenblumenöl, Distelöl, Rapsöl, Erdnussöl)
  • Industriell verarbeitete Fleisch und Wurstwaren

Paleo favorisiert also (möglichst unkultivierte) Lebensmittel, die theoretisch auch gesammelt und erjagt werden könnten:

  • Bio-Fleisch von Weidetieren inkl. Innereien („grass-fed“, kein Hochleistungsfutter!), Wild, Wild-Fisch (keine Aquakultur!), Meeresfrüchte
  • Eier (möglichst bio)
  • Gemüse (alle, außer Kartoffeln – möglichst bio)
  • Obst (vor allem Beeren, weil zuckerarm – möglichst bio)
  • Nüsse und Samen
  • Öle und tierische Fette (Schmalz, Ghee, Olivenöl)
  • Frische Kräuter & Gewürze

GLUTEN, LEKTIN UND PHYTINSÄURE

In der Paleo-Ernährung gilt Getreide als besonders kritisch, da es sogenannte „Anti-Nährstoffe“ enthält. Es handelt sich dabei um Stoffe, die das Überleben der Pflanze sichern und für empfindliche Menschen potenziell unverträglich sein können. Lektine und Phytinsäure finden sich in den meisten pflanzlichen Lebensmitteln in unterschiedlicher Konzentration. Besonders viel davon enthalten Getreide und Hülsenfrüchte (die deshalb auch vom Paleo-Speiseplan gestrichen wurden).

Gluten

Gluten ist das sogenannte „Kleber-Eiweiß“, das Getreide wie z.B. Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste seine Backeigenschaft verleiht. Fluffige Croissants, luftiges Weißbrot, locker leckerer Hefezopf – ohne Gluten nicht möglich (glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche)! Gluten ist ein Eiweißgemisch, das bei Zöliakie-Betroffenen eine Immunreaktion hervorruft, die dazu führt, dass sich der Dünndarm entzündet. Man weiß inzwischen, dass es Menschen gibt, die trotz eines negativen Zöliakie-Tests empfindlich auf Gluten reagieren. Das Thema Gluten habe ich hier ausführlicher besprochen.

➤ Lektine

Lektine kommen in allen Pflanzen, in geringer Konzentration auch in Tieren, vor. Man vermutet, dass sie als Abwehrmechanismus gegen Fraßfeinde fungieren. Manche Lektine können sich an bestimmte Kohlenhydratstrukturen an den Darmwandzellen, besonders des Dünndarms, binden und ihn dadurch schädigen. So könnte es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmbarriere (engl. Leaky-Gut-Syndrome) kommen, wodurch Nährstoffreste und Toxine in den Blutkreislauf gelangen.

Der Lektingehalt von Getreide (auch glutenfreiem) und vor allem Hülsenfrüchten ist vergleichsweise hoch, weswegen letztere roh verzehrt auch tatsächlich giftig sind. Es gibt allerdings meines Wissens weit und breit keine validierten Studien, die belegen, dass generell alle Lektine darmschädigend sind. Auch wenn ein gewisser Dr. Grundy das, in seinem 2017 erschienen Buch „The plant paradox,“ so vermittelt.

Phytinsäure

Phytinsäure dient Pflanzen wie z.B. Getreide, Hülsenfrüchten, aber auch Ölsaaten und Nüssen (welche in der Paleo-Ernährung ausdrücklich erlaubt sind!) als Phosphat-Speicher und kann Mineralstoffe wie Magnesium und Calcium, besonders aber Eisen und Zink binden, so dass wir sie nicht mehr verdauen und aufnehmen können. Zudem kann Phytinsäure die Enzyme Pepsin und Trypsin blockieren. Diese Enzyme benötigen wir zur Eiweißverdauung.

Was in den Anleitungen zur Paleo-Ernährung aber meist unerwähnt bleibt, ist, dass sowohl Lektine als auch Phytinsäure gesundheitliche Vorteile haben können. Studien zu einigen Lektin-Arten konnten antivirale und antikarzinogene Eigenschaften belegen. Auch zur Phytinsäure gibt es Tierstudien, die eine schützende Wirkung bei der Entstehung von Diabetes und Herzkrankheiten aufzeigen konnten.

Die meisten Lektine lassen sich zudem durch Erhitzen zerstören. Durch vorheriges Einweichen lässt sich auch der Phytinsäure-Gehalt in Getreide, Hülsenfrüchten und Nüssen, bzw. bei Getreide auch durch eine langsame Teigführung beim Backen, drastisch reduzieren. Traditionell hergestelltes Brot ist deshalb oft viel bekömmlicher als das Brot aus dem Supermarkt. Gluten lässt sich leider nicht so einfach eliminieren. Einzig das Ankeimen setzt einen enzymatischen Prozess in Gang, der Gluten in einzelne Aminosäuren umbaut. Wegen des möglichen Restgluten-Gehaltes ist aber auch angekeimtes Getreide für Zöliakie-Betroffene nicht geeignet. Für Gluten-Sensitive ist dies Art der Zubereitung aber durchaus einen Versuch wert.

IST PALEO GLEICH LOW CARB?

Verglichen mit der SAD, aber auch mit der deutschen Durchschnittsernährung ist Paleo auf jeden Fall kohlenhydratreduziert. Allein durch den Verzicht auf Brot, Pasta, Backwaren und Süßigkeiten und dem Fokus auf frische unverarbeitete Lebensmittel, fallen viele Kohlenhydrate weg. Allerdings ist Paleo diesbezüglich weniger restriktiv als SCD und IBD-AID. Außer Kartoffeln sind alle Wurzelgemüse – besonders Süßkartoffeln – ausdrücklich als wertvolle Kohlenhydratquellen erlaubt. Zudem gibt es unendlich viele Rezepte für Paleo-konforme Süßigkeiten. Es damit zu übertreiben ist jedoch bestimmt nicht im Sinne des Konzepts.

Als gesunde, Protein-orientierte Ernährung ist Paleo deshalb besonders bei Sportlern beliebt, gerade weil sich der Kohlenhydrat-Anteil ganz individuell variieren lässt.

PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN UND FAZIT

Ich habe mich insgesamt über zwei Jahre konsequent nach Paleo ernährt. Durch das Konzept habe ich zum ersten Mal erfahren, wie effektiv eine Ernährungsumstellung sein kann. Ich habe damit kurz nach dem ersten SCD-„Desaster“ begonnen. Von der SCD kommend empfand ich die Einschränkungen gar nicht mehr als so restriktiv. Durch Paleo habe ich z.B. auch gelernt, dass ich ein gewisses Maß an Kohlenhydraten benötige, um mein Gewicht zu halten und mich gut zu fühlen.

Der Verzicht auf verarbeitete Lebensmittel, Milch und Gluten (bzw. auf Getreide allgemein) kommt meinen individuellen Nahrungsmittelunverträglichkeiten sehr entgegen. Ich konnte den Obstanteil (wegen meiner Fruktose-Intoleranz) reduzieren ohne dadurch gleich in ein Kaloriendefizit zu rutschen. Auch der Verzicht auf Hülsenfrüchte war für mich kein Problem, da diese für mich absolut nicht verträglich sind. So lange ich es mit Nüssen nicht übertrieben habe (Backwaren aus Nuss- und Kokosnussmehl sind für mich aufgrund des hohen Ballaststoffgehalts unverträglich) ging es mir mit dieser Ernährungsform hervorragend.

Inwieweit der Verzicht auf jegliches Getreide, auch auf glutenfreies, wirklich dazu beigetragen hat, lässt sich schwer beurteilen. Zu Anfang fiel mir der Verzicht nicht schwer. Die positive Wirkung bestärkte mich und ich war einfach nur glücklich, eine Ernährungsform gefunden zu haben, die meine Symptome so positiv beeinflusst. Nach einer Weile fing ich aber an, Getreide wirklich zu vermissen. Zumal ich ein absoluter Brot-Fan bin! Ich liebe Sandwiches und Stullen und könnte mich ausschließlich davon ernähren. Also habe ich zumindest Reis wieder in meinen Ernährungsplan aufgenommen. Der erste Reis nach fast zwei Jahren war einfach köstlich!

Dann habe ich angefangen mit Reismehl zu backen. Nach und nach habe ich dann andere glutenfreie Getreide und Mehle, wie Mais, Hirse, Buchweizen und Quinoa wieder eingeführt. Am Anfang lagen mir Backwaren, nach so langer Zeit der Abstinenz, ganz schön schwer im Bauch. Aber grundsätzlich habe ich es (in Maßen) gut vertragen. Und mein Speiseplan hat sich dadurch einfach um so viele leckere Optionen erweitert. Inzwischen sind Reis (auch als Nudeln in der asiatischen Küche) und Kartoffeln wieder ein fester Bestandteil meiner Ernährung. Brot (glutenfrei) esse ich eigentlich nur zum Sonntagsfrühstück – zu viel davon tut mir nicht gut.

Ich persönlich finde, dass man sich nicht nur physisch, sondern auch psychisch mit einer Ernährungsform wohlfühlen sollte. Denn Genuss ist ein ganz wesentlicher Faktor für ein gutes Leben. Gerade als CED-ler hat man zum Essen oft sowieso schon ein gestörtes Verhältnis, bzw. einfach Angst davor. Mit Genuss meine ich jetzt nicht Hedonismus oder Kontrollverlust. Außerdem glaube ich, dass es wenig Sinn ergibt, an einer geliebten Essgewohnheit festzuhalten, wenn sie einem nur Frust und Schmerzen bereitet. So viel Selbstkontrolle sollte schon sein. Gewohnheiten zu ändern ist wahnsinnig schwer. Aber es lohnt sich wirklich.

Ein weiterer Grund, warum ich Paleo irgendwann nicht mehr konsequent verfolgt habe, ist der hohe Anteil an tierischen Lebensmitteln. Damals hatte ich den Fokus voll auf meine Gesundheit gelegt und es waren noch gar nicht so sehr Tier-ethische und umweltpolitische Gedanken, die mich das Konzept hinterfragen ließen. Da war einfach irgendwann so ein ungutes Gefühl. Ein regelrechter Widerwillen gegen den täglichen Konsum von (wenn auch fast immer sehr hochwertigem) Fleisch, tierischen Fetten und Eiern.

Heute sehe ich das deutlich kritischer. Sicherlich lässt sich Paleo auch mit viel weniger Fleisch umsetzen. Das Grundprinzip setzt aber auf naturbelassene tierische Lebensmittel als gesunde Quelle für Proteine, Vitamine und Mineralstoffe. Und ich muss offen gestehen, meiner Gesundheit war diese Ernährungsform durchaus zuträglich. Meine Eisenwerte (die eigentlich IMMER im Keller sind) waren zu dieser Zeit top und mein HDL (das „gute Cholesterin“) schoss in die Höhe. Anders als die Vertreter des Veganismus glaube ich, dass ein gesundes Maß an tierischen Lebensmitteln in der Ernährung gerade für CED-Betroffene sinnvoll sein kann. Für einen gesunden Menschen oder auch bei anderen Krankheiten mag sich die Situation wieder anders darstellen.

Aus Tier-ethischer und umweltpolitischer Sicht halte ich die moderne Massentierhaltung für absolut unvertretbar. Ich habe aber am eigenen Körper erfahren, dass ich, mit meinem mittlerweile ziemlich kurzen Dünndarm und meiner Unverträglichkeit gegenüber vielen pflanzlichen Eiweißquellen sowie Milchprodukten einfach auf etwas Fisch oder Fleisch angwiesen bin. Und ich gebe offen zu – es auch sehr sehr lecker finde! Ich habe deshalb meinen Fleischkonsum auf ganz wenige Anlässe reduziert. Die genieße ich dann aber auch ohne schlechtes Gewissen! Fisch und Meeresfrüchte, sowie Eier esse ich dagegen regelmäßig, aber eben auch nur -mäßig. Das richtige Maß ist für die gesunden Ernährung – egal, welches Konzept man gerade verfolgt – meiner Meinung nach sowieso der Schlüssel.

FÜR DIE WEITERE RECHERCHE

  • Paleo360 ist DAS deutsche Paleo-Portal, ziemlich kommerziell, aber mit vielen guten Informationen und vor allem mit leckeren Rezepten.
  • Felix Olschewski gehört zu den Mitbegründern der Paleo-Bewegung in Deutschland, sein Blog Urgeschmack setzt sich kritisch und differenziert mit allen Aspekten des Paleo-Lifestyles auseinander. Sehr zu empfehlen!
  • In den USA gibt es unzählige Blogs zum Thema, auf rankedblogs.com findest du die aktuell 25 beliebtesten
  • Wer noch tiefer eindringen möchte, dem sei auf jeden Fall das Buch „The Paleo Diet“ von Dr. Loren Cordain, dem „Vater“ der Paleo-Bewegung, empfohlen. Ebenfalls lesenswert sind Publikationen von Robb Wolf, Chris Kresser, Mark Sisson, Terry Wahls und von Paul und Shou-Ching Jaminet.

QUELLEN

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