Wir Menschen gehören zu den Säugetieren. Im Idealfall werden wir, sobald wir auf der Welt sind, vom ersten Tag an durch die Milch unserer Mutter ernährt. Muttermilch enthält alles, was wir in den ersten Wochen unseres Lebens für ein gesundes Wachstum brauchen. Sie ist ernährungsphysiologisch betrachtet ein echtes Kraftpaket. So weit, so gut. Irgendwann sind wir dann in der Lage, feste Nahrung aufzunehmen und zu verdauen und werden abgestillt. Bei allen anderen Säugetieren ist das Thema Milch damit vom Tisch. Nicht so bei uns Menschen.
In den allermeisten Ländern und Kulturen trinken die Menschen heute Milch bzw. essen Milchprodukte. Vorrangig von Kühen, Schafen und Ziegen. Der Mensch ist also das einzige Lebewesen, das
- Milch auch im Jugend- und Erwachsenenalter zu sich nimmt,
- die (Mutter-)Milch eines anderen Säugetiers trinkt.
Letzteres wird unter anderem von Veganern häufig als Argument benutzt, Milchprodukte (abgesehen vom Tierleid, welches die konvetionelle Haltung von Milchkühen mit sich bringt) als nicht artgerecht und deshalb ungesund zu verurteilen. So ganz von der Hand zu weisen ist das tatsächlich nicht. Auf den ersten Blick ist Milch ein sehr gesundes Lebensmittel. Sie enthält hochwertiges Protein mit einem vollständigen Aminosäureprofil (die meisten pflanzlichen Proteinquellen haben ein unvollständiges Aminosäureprofil und müssen deshalb clever kombiniert werden) in hoher Bioverfügbarkeit. Außerdem enthält Milch sehr viel Kalzium (bereits ein viertel Liter Milch deckt den Tagesbedarf eines Erwachsenen), sowie Vitamin B2 und B12 und sogar etwas Vitamin D. Das perfekte Lebensmittel um die Knochendichte zu erhalten und das Risiko für Frakturen zu verringern – möchte man meinen.
KUHMILCH – ZU KONZENTRIERT FÜR UNS MENSCHEN?
Erstaunlicherweise kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, dass es gerade in Ländern mit einem besonders hohen Milchkonsum bei älteren Menschen vermehrt zu Hüftfrakturen kommt. Woran genau das liegt, ist noch nicht ausreichend geklärt. Es gibt Ansätze, die vermuten, ein zu hohe Kalziumzufuhr könne den protektiven Effekt umkehren. Es gibt aber noch einen weiteren interessanten Ansatz: Kuhmilch lässt kleine Kälber in Turbogeschwindigkeit groß und stark werden. Neben einem hohen Proteingehalt enthält Milch Hormone wie Progesteron, Östrogen und, in diesem Zusammenhang besonders interessant, den IGF-I Faktor (Insuline-like-growth-factor), der das Wachstum (auch von Menschen) anregt.
Man weiß inzwischen, dass Kinder, die sehr viel Kuhmilch trinken, besonders schnell wachsen. Dieses schnelle Wachstum könnte sich später durch eine erhöhte Frakturneigung rächen. Dies würde auch erklären, warum gerade in skandinavischen Ländern, wie z.B. Schweden und Norwegen, die den weltweit höchsten Milchkonsum verzeichnen, Menschen besonders groß werden (und tatsächlich ein erhöhtes Fraktur-Risiko haben). Wie immer handelt es sich hier um Beobachtungsstudien, ausreichend erklärt ist das „Warum“ damit noch nicht.
IGF-I steht außerdem im Verdacht Brust- und Prostatakrebs zu begünstigen. Erhöhter Milchkonsum korreliert in einigen Studien tatsächlich mit erhöhtem Brust- und Prostatakrebs-Risiko. Neben dem IGF-I Faktor könnte auch der Gehalt an Sexualhormonen in der Milch eine Rolle spielen. Auch beim Zusammenhang zwischen Akne und Milchkonsum sind vermutlich Sexualhormone die auslösenden Faktoren.
GRUNDNAHRUNGS- ODER DOCH EHER GENUSSMITTEL?
Auch wenn das hier vielleicht gerade den Eindruck erweckt, halte ich Milch nicht generell für ungesund. Ich glaube aber, dass sie zum einen als chemisch sehr komplexes und konzentriertes Lebensmittel nur in Maßen konsumiert werden sollte, zum anderen bin ich der Meinung, dass sie grundsätzlich nicht für jeden geeignet ist. Andererseits muss man das natürlich auch immer im Kontext betrachten. Ernährungspolitisch gesehen ist Milch z.B. gerade für Entwicklungsländer, im Rahmen der Bekämpfung von Unternährung, mit ihrer außergewöhnlichen Nährstoffdichte ein extrem wichtiges Grundnahrungsmittel. Milch kann dort zur gesunden Kindesentwicklung und insgesamt zur Gesunderhaltung der Gesamtbevölkerung einen großartigen Beitrag leisten. In Industrieländern, die kalorisch eher überversorgt sind, muss Milch aber nicht unbedingt Teil der Ernährung sein. Alle darin enthaltenen Nährstoffe lassen sich auch durch pflanzliche (oder andere tierische) Lebensmittel zuführen.
Doch sind wir mal ehrlich: Milchprodukte sind einfach extrem lecker und bereichern unseren Speiseplan enorm. Sie haben sogar erwiesenermaßen ein gewisses Suchtpotenzial. Milch enthält Beta-Casomorphine, die im Körper an denselben Rezeptoren andocken, wie z.B. Heroin oder andere Opioide. „Ich bin süchtig nach Käse“, ist also nicht einfach nur mal so dahingesagt, sondern wirklich wahr.
Milchprodukte sollten maßvoll verzehrt werden. Und vorrangig in fermentierter naturbelassener Form. Das vielen Fertigprodukten zugesetzte Milchpulver würde ich möglichst ganz vermeiden. Fermentierte Milchprodukte, wie Joghurt , Kefir und gereifter Käse haben in allen Studien positiver abgeschnitten als Milch, Quark, Sahne und Co. Hier überwiegen die allgemeinen gesundheitlichen Vorteile fermentierter Lebensmittel, wie beispielsweise der positive Einfluss auf die Darmflora.
Du hast vielleicht schon bemerkt, dass ich das Thema Milch und Milchprodukte unheimlich spannend finde. Ich bin sicher, hier werden in der Forschung noch viele weitere Erkenntnisse folgen. Nach diesem kleinen Exkurs komme ich jetzt endlich auch zum Thema Milch und CED.
WARUM MILCH BEI CED OFT SCHLECHT VERTRAGEN WIRD
Milch gehört zu den Lebensmitteln, mit denen die meisten CED-ler Probleme haben. Vor allem bei Morbus Crohn mit einer Dünndarmbeteiligung kommt es sehr oft zur Unverträglichkeit von Milch und Milchprodukten. Häufig lässt sich auch beobachten, dass Milchprodukte zwar in Remission vertragen werden, dann aber, sobald sich ein Schub anbahnt, nicht mehr toleriert werden. Dahinter steckt meist eine temporäre Laktose-Intoleranz. Weil der Dünndarm entzündet ist, bildet er nicht mehr ausreichend Enzyme, die zur Verdauung von Milchzucker (Laktose) benötigt werden.
➤ Laktose-Intoleranz
Von Geburt an bildet der Mensch, wie jedes Säugetier, im Dünndarm das Enzym Laktase. Nur mit Hilfe dieses Enzyms ist er in der Lage Milchzucker (Laktose) aufzuspalten und zu verdauen. Laktose ist ein Disaccharid, das aus Glukose und Galaktose besteht. Da wir nur Einfachzucker aufnehmen können, brauchen wir zunächst ein „Tool“, also ein Enzym, um den Zweifachzucker zu spalten. Da Muttermilch sogar noch mehr Laktose enthält als Kuhmilch, sind wir von Anfang an mit diesem Enzym ausgestattet.
Ursprünglich hat der Körper nach dem Abstillen und der Umstellung auf feste Nahrung bei allen Menschen die Laktase-Produktion nach und nach eingestellt. Die ersten erwachsenen „Milchtrinker“ werden also so ihre Probleme gehabt haben. Da wir aber schlau und anpassungsfähig sind, haben sich im Laufe der Evolution die „Milchtrinker-Gene“ durchgesetzt, also jene, die eine weitere Produktion von Laktase erlauben.
Nur eben leider nicht bei allen. Bei manchen Menschen nimmt die Laktase-Aktivität auch weiterhin nach dem Babyalter ab. Dies führt zu einer primären Laktose-Intoleranz. Die Fähigkeit Laktose zu bilden, nimmt übrigens von Nord nach Süd kontinuierlich ab. In Schweden leiden nur etwa 2% der Bevölkerung an Laktose-Intoleranz, in Süd-Italien sage und schreibe bis zu 70%! In Deutschland liegt der Anteil immerhin bei ca. 20%. Generell nimmt die Fähigkeit Laktose zu verdauen im Alter bei allen Menschen ab.
Die meisten CED-ler sind also ursprünglich durchaus in der Lage ausreichend Laktase zu bilden. Durch die Entzündung oder auch nach Operationen (Teil-Resektionen des Dünndarms), kann es aber zu einer verminderten Laktase-Aktivität kommen. Diese sekundäre Laktose-Intoleranz kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Manche Betroffenen vertragen noch eine bestimmte Menge an laktosehaltigen Milchprodukten, andere überhaupt keine mehr. Oft nimmt die Fähigkeit Laktose zu verdauen besonders im akuten Schub ab. Wenn du deinen morgendlichen Cappuccino also plötzlich nicht mehr verträgst, könnte es durchaus sein, dass sich da etwas anbahnt. Das Gute an dieser temporären Laktose-Intoleranz ist, dass sie meist wieder verschwindet, sobald man in Remission ist.
SYMPTOME EINER LAKTOSE-INTOLERANZ
Bakterien in Dickdarm machen sich über die unverdaute Laktose her. Durch den Gärungsprozess kommt es zu Blähungen (mit verstärkten Darmwinden, die nicht unbedingt nach Blumen riechen), Bauchschmerzen und Durchfall. Manchmal auch zu Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopfschmerzen.
DIAGNOSE
Wenn du eine Laktose-Intoleranz bei dir vermutest, solltest du bei deinem Gastroenterologen einen sogenannten H2-Laktose-Atemtest machen. Dafür kommst du nüchtern in die Praxis und bekommst dort eine Milchzucker-Lösung zu trinken. In halbstündigen Abständen bläst du dann in ein Messgerät. Bei einem Laktasemangel bildet sich durch die Gärung im Dickdarm Wasserstoff, der sich auch in deiner Atemluft nachweisen lässt.
THERAPIE
Sinnvoll ist es, bei jedem Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, das vermeintlich unverträgliche Lebensmittel, für 2-3 Wochen komplett aus dem Speiseplan zu streichen und zu sehen, wie es einem dabei geht. Entweder du nutzt dafür als laktosefrei deklarierte Milchprodukte oder du sattelst gleich auf pflanzliche Alternativen um. Falls sich deine Symptome durch eine Laktose-Karenz bessern, kannst du danach vorsichtig laktosehaltige Produkte wieder einführen und dich so an deine individuelle „Schmerzgrenze“ herantasten.
Laktose ist übrigens auch in Schaf- und Ziegenmilch, bzw. in der Milch aller Säugetiere in unterschiedlicher Konzentration enthalten. Außerdem ist Laktose so ziemlich jedem Fertigprodukt (auf dem Etikett als Milchpulver, Molkepulver oder Milchzucker erkennbar) als Geschmacksverstärker oder Bindemittel zugesetzt. Entweder du liest dir Zutatenliste also genau durch oder du bereitest dir, zumindest während der Karenz-Phase, alles selbst zu. So hast du die volle Kontrolle über den Laktose-Gehalt deiner Mahlzeiten.
Bei Milchprodukten gilt grundsätzlich: je höher der Reifegrad umso geringer der Laktose-Anteil. Lange gereifte Käsesorten, wie Parmesan und alter Gouda enthalten von Natur aus keine oder kaum noch Laktose und sind fast immer verträglich (außer man hat zusätzlich noch eine Histaminintoleranz). Bei abgepackten Milchprodukten kannst du den Laktose-Gehalt über die Nährwert-Tabelle ermitteln. Über die Angabe „Kohlenhydrate“ und gleich darunter „davon Zucker“. Wird dort 0,0 g ausgewiesen, ist das Produkt sicher laktosefrei. Man muss also nicht immer auf die teureren, extra laktosefrei deklarierten Produkte zurückgreifen.
Hier findest du eine aussagekräftige Tabelle zum Laktose-Gehalt von Milchprodukten. Lebensmittel mit einem Laktoseghalt von bis zu 0,5 g pro 100 g werden von den meisten in kleinen Mengen vertragen.
MILCHPROTEIN – UNSER ERSTES ARTFREMDES EIWEISS
Du hast das Gefühl, dass du auch laktosefreie Produkte schlecht verträgst? Eventuell reagierst du nicht auf den Milchzucker, sondern das Milcheiweiß macht dir zu schaffen. Für die meisten Menschen ist Kuhmilch das erste „artfremde“ Eiweiß, mit dem sie in Berührung kommen. Kuhmilch-Eiweiß besteht zu etwa 20% aus Molken-Eiweiß und zu 80% aus Casein. Molken-Eiweiß ist Kuh-spezifisch, Casein kommt in der Milch aller Säugetiere vor.
➤ Milcheiweiß-Allergie
Etwa 2-3% aller Säuglinge reagieren allergisch auf Kuhmilch-Eiweiß. Man geht davon aus, dass ihr Verdauungssystem noch nicht vollständig ausgereift ist und deshalb größere Eiweißmoleküle die Darmwand durchdringen können, auf die der Körper dann mit einer Immunantwort reagiert. Wie bei den meisten Allergien im Säuglingsalter verschwindet die Kuhmilch-Allergie aber in bis zu 90% aller Fälle bis zum Schulalter wieder.
Nur sehr wenige Erwachsene leiden unter einer echten Milcheiweiß-Allergie. Dabei können sie auf verschiedene Eiweiße allergisch reagieren. Molken-Eiweiß-Allergiker können auf die Milch von Schaf und Ziege ausweichen. Casein-Allergiker hingegen müssen alle Milchprodukte meiden. Oft wird aber auf beide Eiweiß-Fraktionen gleichermaßen reagiert.
Bei der Milcheiweiß-Allergie unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Allergietypen:
- Typ-I-Allergie: IgE-vermittelte (Immunglobulin E) Reaktion (Sofort-Typ). Bei Kontakt mit dem Allergen bildet der Körper spezifische IgE-Antikörper, die sich an bestimmte Zellen des Immunsystems binden. Daraufhin werden Entzündungsbotenstoffe freigesetzt. Die Reaktion tritt meist unmittelbar ein, spätestens nach 1-2 Stunden.
- Typ-IV-Allergie: T-Zellen-vermittelte, verzögerte Reaktion (Spät-Typ). Eine Reaktion auf das Allergen tritt sehr viel später, meist jedoch innerhalb von 48 Stunden auf.
SYMPTOME EINER MILCHEIWEIß-ALLERGIE
Symptome des Sofort-Typs können sehr heftig, bis hin zum anaphylaktischen Schock, ausfallen. Neben Magen-Darm-Beschwerden, wie Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, treten meist auch Symptome auf der Haut auf. Eine bestehende Neurodermitis kann sich verschlimmern, Hautausschläge und Juckreiz können auftreten. Seltener kommt es zu asthmatischen Beschwerden und allergischem Schnupfen.
Symptome des Spät-Typs beschränken sich meist auf das Verdauungssystem und fallen weniger heftig aus.
DIAGNOSE
IgE-vermittelte Allergien lassen sich über Haut- und Bluttests diagnostizieren. Bestätigt wird die Diagnose meist durch eine Auslass-Diät mit einem anschließendem Provokationstest unter ärztlicher Aufsicht. Allergien vom Spät-Typ lassen sich nur schwer nachweisen. Am sinnvollsten ist hier eine Auslass-Diät über mehrere Wochen mit anschließender sehr vorsichtiger Wieder-Einführung mit ansteigender Dosis. Generell solltest du dich bei Verdacht auf eine Allergie unbedingt in die Hände eines Allergologen begeben.
➤ Milcheiweiß-Unverträglichkeit
Die Milcheiweiß-Unverträglichkeit oder auch Casein-Unverträglichkeit ist schulmedizinisch nicht anerkannt oder zumindest findet sie bisher kaum Beachtung. Da sie sich diagnostisch nicht von einer Allergie des Spät-Typs abgrenzen lässt, wird sie oft mit dieser in einen Topf geworfen.
Bei Unverträglichkeiten hat man es im Gegensatz zu Allergien mit einer abgeschwächten oder fehlenden Enzymaktivität zu tun. An der Verdauung von Casein (dem Hauptbestandteil des Milcheiweiß) sind verschiedene Enzyme beteiligt, der komplexe Vorgang dauert bis zu 8 Stunden. Pepsin sorgt dafür, dass Casein zu einer zähen Masse gerinnt, wenn es den Magen erreicht. Die Verdauungsenzyme im Dünndarm müssen hart arbeiten, um diese Masse aufzubrechen, was zu längeren Verdauungszeiten und einer langsameren Freisetzung der Nährstoffe führt. Ein cleverer Trick der Natur, um Säuglinge langanhaltend zu sättigen und mit Protein zu versorgen. Auch Sportler machen sich diese Tatsache zu Nutze, da die langsam freigesetzten Aminosäuren die Muskeln während des Krafttrainings optimal versorgen. Milchprodukte, bzw. das darin enthaltene Casein, sind eine tolle Protein-Quelle aber definitiv nichts für verdauungsgeschwächte Menschen. Diese sollten lieber auf leichter aufschließbare Quellen wie mageres Fleisch und Fisch zurückgreifen.
Bei einer ausgedehnten Entzündung im Dünndarm oder nach einer Teilresektion, aber auch bei Morbus Crohn mit Magenbeteiligung oder bei einer Bauchspeicheldrüsen-Schwäche wird Casein häufig nicht vollständig verdaut und gelangt in den Dickdarm, wo es von Fäulnisbakterien zersetzt wird. Dies kann zu sehr unangenehmen Blähungen, Bauchkrämpfen und übelriechendem Durchfall führen.
Enzympräparate können hier sehr hilfreich sein. Sie helfen nur leider nicht jedem. Einen Versuch ist es aber auf jeden Fall wert. Wenn du es ausprobieren möchtest, rate ich dir, mit einer geringen Dosis anzufangen und diese dann langsam zu steigern. Du kannst auf tierische Präparate setzen oder aber auch auf rein pflanzliche – beide sind gleichermaßen wirksam.
PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN UND FAZIT
Milch und ich – das war schon immer eine Art Hassliebe. Als ungestilltes Kaiserschnitt-Kind der 70er bin ich dank Nesltlé und Co vermutlich viel zu früh mit dem „artfremden“ Eiweiß der Kuhmilch konfrontiert worden. Interessanterweise habe ich bis zum jungen Erwachsenenalter viele Milchprodukte, wie z.B. Butter und Käse abgelehnt – obwohl bei uns zu Hause gerne und viel Käse gegessen wurde. Natürlich liebte ich, wie wohl jedes Kind, Eiscreme, Kakao, Schokolade, Quarkspeisen und süße Joghurts. Soweit ich mich erinnere, habe ich sie schon damals nicht besonders gut vertragen. Wobei das im Nachhinein sehr schwer zu sagen ist – man hatte halt „mal Bauchweh“.
Als junge Erwachsene und frisch diagnostizierter „Crohni“ war ich ein echter Süßigkeiten-Junkie. Am liebsten waren mir die fettigen Sachen, wie Schokoriegel, Milchschnitte (ohne die Zehnerpackung im Kühlschrank konnte ich nicht ruhig schlafen), Eis, Mousse au Chocolat, Tiramisu, Kekse, Kuchen… Milch, Zucker und Weizen in stark verarbeiteter Form waren quasi meine Grundnahrungsmittel. Der gesundheitliche Aspekt meiner Ernährung hat mich damals herzlich wenig interessiert. Zumal ich immer super schlank war, egal was ich aß. Dass ich ständig aussah, wie im 6. Monat schwanger und unerträgliche Blähungen hatte, habe ich ausschließlich meiner Krankheit zugeschrieben. Damals war mir der Zusammenhang zwischen bestimmten Nahrungsmitteln und meinen Symptomen einfach nicht klar.
Als ich schließlich anfing, mich mit Ernährung auseinanderzusetzen, gerieten Milchprodukte aber schnell unter Generalverdacht. Ein H2-Laktose-Atemtest fiel positiv aus. Kein Wunder, bei meinem malträtierten Dünndarm. Ich habe aber auch sehr schnell gemerkt, dass es keinen Unterschied macht, ob ich laktosehaltige oder -freie Milchprodukte zu mir nehme. Erst als ich sie im Rahmen meiner Paleo-Erfahrung komplett aus dem Speiseplan strich, merkte ich, wie viele Probleme sie meiner Verdauung eigentlich bereiten.
Seit fast 8 Jahren verzichte ich jetzt schon weitestgehend auf Milchprodukte. Auf alle, auch von Schaf und Ziege – alles schon ausgetestet. Butter vertrage ich gut (sie enthält nur Spuren von Milcheiweiß und Laktose) und hin und wieder mal ein Schuss Sahne in der Sauce geht auch. Alle konzentrierten Milcheiweiß-Quellen, wie Quark, Käse, Joghurt etc. vertrage ich nicht mal in homöopathischen Dosen. Ganz selten reibe ich mir trotzdem etwas (laktosefreien) Mozzarella auf meine (glutenfreie) Pizza. Nach einer Stunde habe ich höllisches Sodbrennen und am nächsten Tag einen Ballon-Bauch. Gesellschaftsfähig bin ich dann aus olfaktorischen Gründen dann auch nicht mehr. Ich erspare dir die Details.
Ob ich eine Allergie des Spät-Typs habe oder einfach nur das Casein nicht verdauen kann, ist mir im Grunde egal. Mir geht es ohne Milchprodukte einfach so viel besser. Und nur das zählt. Ich habe es natürlich auch schon mal mit Enzympräparaten versucht. Blöderweise verursachen diese bei mir heftige Bauchkrämpfe. Also auch eher kontraproduktiv.
Generell würde ich jedem CED-ler empfehlen (vor allem bei Morbus Crohn mit Dünndarmbeteiligung) eine H2-Laktose-Atemtest zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du, zumindest zeitweise, Laktose nicht verträgst ist relativ groß. Wenn du das Gefühl hast, es ist nicht (nur) die Laktose, lass alle Milchprodukte für 2-3 Wochen weg und schau, wie es dir dabei geht. Danach kannst du vorsichtig austesten, wo deine individuelle Toleranz-Schwelle liegt, indem du (am besten erst mal laktosefreie) Milchprodukte wieder einführst. Sinnigerweise zuerst diejenigen, die mehr Fett als Eiweiß enthalten (wenn du kein Problem mit Fett hast), wie z.B. Butter und Sahne.
Dieser Beitrag ist länger geworden, als geplant. Milch ist einfach ein so unglaublich komplexes und einzigartiges Lebensmittel. Wenn du Milch tatsächlich ohne Probleme verträgst, sei glücklich, genieße, aber halte Maß und halte dich in erster Linie an fermentierte Milchprodukte.
FÜR DIE WEITERE RECHERCHE
- Auf der DEBInet-Website (Deutsches Ernährungsberatungs & Informations-Netz) findest du sehr ausführliche Informationen zur Laktose-Intoleranz.
- Auf netdoktor.at werden alle Infos zum Thema Milcheiweiß-Allergie detailliert und verständlich vermittelt.
QUELLEN
- Hayk S. Arakelyan (2020): „Casomorphin“, https://www.researchgate.net/publication/340570831_Casomorphin, {2021, 19. April)
- Walter C. Willett, M.D., Dr.P.H., and David S. Ludwig, M.D., Ph.D. (2013) „Milk and Health“, https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMra1903547, {2021, 19. April}
- Hannah Nichols (2020): „Diary and Acne: what is the relationship?“, https://www.medicalnewstoday.com/articles/dairy-and-acne#causes, {2021, 19. April}
- Dr. Med. Claudia Osthoff (2019): „Laktoseintoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit)“, https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/magen-und-darmerkrankungen/laktoseintoleranz-milchzucker-unvertraeglichkeit-738977.html, {2021, 21. April)
- Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier (2019): „Kuhmilchallergie“, https://www.ecarf.org/info-portal/allergien/kuhmilchallergie/, {2021, 22. April}
- Lauren Milligan Newmark (2016): „Dairy Protein Digestion: Life in the Slow Lane“, https://milkgenomics.org/article/dairy-protein-digestion-life-slow-lane/, {2021, 22. April}
- Prof. Dr. med. Bodo C. Melnik, Prof. Dr. Gerd Schmitz, Univ.-Prof. Dr. med. Swen Malte John (2021): „Gesundheitsrisiken durch Milchkonsum. Eine kritische Bewertung aus ärztlicher Sicht.“, https://www.springermedizin.de/ernaehrung/haut-und-ernaehrung/gesundheitsrisiken-durch-milchkonsum/19058004?fulltextView=true, {2021, 6. Juli}