Dieses relativ junge Ernährungskonzept wurde erst kürzlich an der UMass Medical School of Massachusetts auf Basis der Speziellen Kohlenhydrat Diät (SCD) entwickelt. Die Therapie zielt darauf ab, das Mikrobiom von CED-Patienten durch eine erhöhte Zufuhr von prä- und probiotischen Lebensmitteln zu modifizieren. Anders als bei der SCD sind bestimmte kohlenhydrathaltige, sehr ballaststoffhaltige Lebensmittel erlaubt, die nachweislich die „guten Bakterien“ im Darm füttern sollen.
Die „Inflammatory Bowel Disease-Anti Inflammatory Diet“ (ich schreibe das hier wirklich nur einmal aus, versprochen!), geht, wie die SCD davon aus, dass ein Ungleichgewicht der Darmbakterien zum Entzündungsgeschehen von CED-Betroffenen beiträgt. Daher geht es auch hier darum, die „guten Bakterien“ zu fördern und den „schlechten Bakterien“ die Lebensgrundlage zu entziehen.
Das Konzept basiert auf vier Säulen:
- Probiotika: Lebensmittel mit lebenden Bakterien, um die Darmflora aufzubauen
- Präbiotika: Lösliche Ballaststoffe sollen dazu beitragen, die Bildung kurzkettiger Fettsäuren im Darm zu fördern. Außerdem haben lösliche Ballaststoffe eine hohe Wasserbindungsfähigkeit und helfen, den Stuhl zu formen und die Frequenz von Durchfällen zu verringern.
- Verzicht auf bestimmte Kohlenhydrate: Wie bei der SCD, soll auch bei der IBD-AID auf die meisten Kohlenhydrate verzichtet werden, um die „schlechten Bakterien“ auszuhungern. Allerdings sind einige stärkehaltige Lebensmittel explizit erlaubt (dazu später mehr).
- Verzicht auf Convenience-Food: Es gibt mittlerweile einige Studien, die belegen, dass Emulgatoren (hier ganz besonders Carageen, Polysorbat 80 und Carboxymethylcellulose) Entzündungen im Darm auslösen können und die Entstehung von CED begünstigen. Auch gehärtete Fette bzw. sogenannte Trans-Fette (z.B. aus industriell gefertigten Backwaren, Kartoffel-Produkten, Cerealien, Desserts und Eiscreme) können Entzündungen fördern.
DIE BESONDERE ROLLE DES HAFERS
Hafer ist das einzige Getreide, das die IBD-AID erlaubt. Hafer enthält zwar Stärke, als präbiotisches Lebensmittel enthält er aber auch eine große Menge an Beta-Glucan, einem löslichen Ballaststoff, dem viele positive gesundheitliche Wirkungen zugesprochen werden. Neben seiner Blutdruck- und Cholesterinspiegel-senkenden Eigenschaften, hat Beta-Glucan auch eine direkte Wirkung auf die Darmflora.
Beta-Glucane dienen nützlichen Darmbakterien als Nahrung. Die Bakterien des Dickdarms wandeln sie in kurzkettige Fettsäuren (Acetat, Butyrat und Propionat) um. Diese wiederum sind wichtige Nährstoffe für die Darmwandzellen. Wenn die Zellen der Darmschleimhaut gut versorgt sind, ist ein ganz wesentlicher Faktor für eine gesunde Darmfunktion erfüllt. Durch die erhöhte Bildung erwünschter kurzkettiger Fettsäuren sinkt außerdem der pH-Wert im Dickdarm, was pathogene Bakterien minimiert. Zusätzlich wirkt die kurzkettige Fettsäure Butyrat entzündungshemmend. Die große Quellfähigkeit der Beta-Glucane fördert die Darmbewegung und verkürzt so die Verweildauer des Nahrungsbreis im Dickdarm. Somit kann Verstopfung vorgebeugt werden (ausreichend trinken ist natürlich zusätzlich wichtig!).
Wer sensibel auf Gluten reagiert, sollte Hafer vorsichtig austesten. Er ist zwar von Natur aus glutenfrei, allerdings wird er in der Produktion meist „verunreinigt“, weil zu seiner Verarbeitung dieselben Maschinen verwendet werden, wie zur Verarbeitung von glutenhaltigem Getreide. Zölikie-Patienten müssen und glutensensitive Menschen sollten deshalb auf zertifiziert glutenfreien Hafer zurückgreifen.
ES DEN GUTEN BAKTERIEN GEMÜTLICH MACHEN
Eine erhöhte Zufuhr von probiotischen Lebensmitteln soll die Darmflora modifizieren. Die zusätzliche Aufnahme von präbiotischen Nahrungsbestandteilen, soll dafür sorgen, dass dafür das richtige Milieu geschaffen wird und sich die erwünschten Bakterien auch langfristig ansiedeln. Probiotika sind Lebensmittel, die lebende Bakterien oder Hefen enthalten. Hier ein paar Beispiele für Pro- und Präbiotika (manche Lebensmittel sind beides – pro- und präbiotisch).
PROBIOTIKA | PRÄBIOTIKA |
---|---|
Joghurt (am besten selbst gemacht) | Hafer (Schrot, Flocken) |
Kefir | Lein- und Chiasamen gemahlen |
Lange gereifte Käsesorten | Bananen (gerne auch Kochbananen) |
Fermentiertes Gemüse | Knoblauch |
Miso | Zwiebeln |
Tempeh (nur getreidefrei) | Lauch |
Kimchi | Zichorienwurzel |
Roher Honig | Tobinambur |
Hülsenfrüchte | |
Im Grunde fast alle Gemüsesorten und viele Obstsorten |
Die gelisteten Probiotika sind allerdings unter Vorbehalt zu betrachten. Außer Joghurt, Kefir, manchen Käsesorten und rohem Honig, enthalten manche der genannten Lebensmittel keine lebenden Bakterien mehr, wenn sie industriell hergestellt wurden. Das Glas Sauerkraut aus dem Supermarkt oder die Misopaste aus dem Asia Shop ist also ganz bestimmt frei von jeglichen lebenden Organismen. Das hat natürlich auch etwas mit den strengen Lebensmittel-Gesetzen in Deutschland zu tun.
Gemüse selbst zu fermentieren ist im Prinzip eine tolle Möglichkeit, den Speiseplan probiotisch zu bereichern. Zum Fermentieren gibt es zig Bücher und Blogs, das Thema ist ja momentan schwer angesagt. Eine einfache Anleitung findest du zum Beispiel hier. Ich persönlich bin kein besonders großer Fan. Zum einen, weil ich es überhaupt nicht vertrage – zum anderen, weil ich der Meinung bin, dass man beim Fermentieren, wenn man nicht absolut hygienisch arbeitet, viel falsch machen kann. Richtig hergestellt sind fermentierte Lebensmittel aber auf jeden Fall eine sehr leckere Bereicherung. Ich erinnere mich noch gut an das tolle selbstgestampfte Sauerkraut meines Vaters…
Meiner Meinung nach kann man aber auch einfach auf ein probiotisches Präparat zurückgreifen, wobei es hier natürlich große Unterschiede in der Zusammensetzung und Qualität gibt. Das Präparat sollte auf jeden Fall eine hohe Diversität an Milchsäurebakterien aufweisen. Und nicht alle Präparate sind für jeden verträglich. Das musst du einfach ganz individuell austesten. Am besten fängst du mit einer sehr niedrigen Dosis an und schleichst es ganz langsam ein. Je nach individueller Darmflora-Zusammensetzung können am Anfang Nebenwirkungen wie Blähungen oder Durchfall auftreten, die sich aber spätestens nach zwei Wochen legen sollten. Falls nicht – versuche es mit einem anderen Präparat. Irgendwann schreibe ich zu diesem Thema noch mal einen gesonderten Post.
KEIN GETREIDE, KEIN ZUCKER
Wie bei fast allen hier im Blog vorgestellten Ernährungsmodellen, liegt der Fokus der IBD-AID auf möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln und hier ganz besonders auf frischem Gemüse und Obst. Auf Getreide muss, bis auf Hafer, wie bei der SCD, komplett verzichtet werden. Außerdem vermieden werden sollten:
- Haushaltszucker (Sucrose) und alle Lebensmittel mit zugesetztem Zucker
- Convenience-Food und Fast Food generell (Achtung: Trans-Fette & Emulgatoren!)
- Alle nicht fermentierten Milchprodukte (Milch, Sahne, Butter, Quark, Frischkäse usw.)
Ausdrücklich erlaubt sind, anders als bei der SCD, Hülsenfrüchte, wie z.B. Linsen, Bohnen und Kichererbsen. Eine ausführliche englische Lebensmittel-Liste findest du hier. Sie bezieht sich allerdings auf die in den USA üblicherweise erhältlichen Lebensmittel.
TEXTUR IN DREI PHASEN
Ein interessanter Ansatz der IBD-AID ist, dass sie nicht nur die Wirkung der Lebensmittel, sondern, besonders zu Anfang, deren Textur berücksichtigt. Sprich, wenn du dich in einem Schub befindest, solltest du nicht einfach nur nach den Regeln des Konzepts ernähren, sondern du solltest zunächst einmal alles zerkochen, zerkleinern und pürieren. Das entlastet denn entzündeten Darm nämlich ungemein.
Dabei definiert die IBD-AID drei Phasen:
- PHASE 1 – während eines Schubs, vor allem bei Blutungen: Smoothies, Joghurt, lange gekochter Haferbrei, gekochtes püriertes Obst, pürierte Suppen, Gemüse-Pürees, Hackfleisch, Fisch gedünstet
- PHASE 2 – auf dem Weg der Besserung, aber immer noch mit Symptomen: Langsames Erhöhen des Ballaststoffanteils, Erweiterung des Speiseplans mit gekochtem Gemüse, gemahlenen Leinsamen, pürierten Linsen und Bohnen, magerem Fleisch, Eier, gereiftem Käse, Nussmus, Selbstgebackenem aus Nussmehlen (Achtung, vorsichtig herantasten!)
- PHASE 3 – keine oder kaum noch Beschwerden: Langsames Einführen aller erlaubter Lebensmittel, natürlich immer unter Berücksichtigung der eigenen Unverträglichkeiten.
Es wird außerdem empfohlen jede Mahlzeit aus den folgenden 8 Komponenten, den sogenannten „Essential Eight“, zusammenzusetzen:
- Probiotikum
- Präbiotikum/Lösliche Ballaststoffe
- Gesundes Fett
- Gemüse
- Obst
- Mageres Eiweiß
- Kräuter
- Getränk
MEINE PERSÖNLICHEN ERFAHRUNGEN
Ich habe mit der IBD-AID im März 2020 nach einem Skiurlaub, bei dem ich ernährungstechnisch ziemlich „gesündigt“ hatte, angefangen. Mir ging es nicht gut, ich wurde das letzte Mal im März 2019 operiert und hatte danach mit einer Biologika-Therapie begonnen, die mir leider starke Nebenwirkungen (Muskel- und Gelenkschmerzen – ich konnte morgens kaum aufstehen) bescherte. Ich hatte deshalb mit meinem Arzt vereinbart das Medikament versuchsweise aussetzen. Der Darm zickte zwar, aber in Maßen.
Das Konzept fand ich total vielversprechend, weil es wirklich mit aktuellen fundierten ernährungswissenschaftlichen Forschungsergebnissen untermauert ist. Die Quelle (UMass Medical School of Massachusetts) ist, im Gegensatz zu manch anderem ernährungstherapeutischen Ansatz, auch wirklich seriös.
Leider hat sich hier wieder bestätigt, was ich seit Langem an mir beobachte: Ich komme mit Probiotika überhaupt nicht klar. Und zwar in keiner Form. Weder als frisches Lebensmittel noch in Kapselform. Egal wie langsam und vorsichtig ich versuche, es einzuschleichen. Und mit überhaupt nicht meine ich: ÜBERHAUPT NICHT! Jede noch so kleine Spur an lebenden Bakterien beschert mir übelste Krämpfe und Blähungen. Ich vertrage nicht mal Pflanzen-Joghurt. Gereifter Käse (mal abgesehen vom Milcheiweiß und der Histamin-Problematik) – ist ein absolutes No-Go für mich.
Das spricht nicht gerade für meine Darmflora. Ich fürchte ehrlich, da ist einiges im Argen. Ich habe in den letzten Jahren zwei Mal einen Darmflora-Test machen lassen und beide Male kamen Laktobazillen in meinem Darm so gut wie gar nicht vor. Scheinbar biete ich den kleinen Biestern keine heimelige Umgebung. Oder irgendwas wehrt sich vehement gegen deren Ansiedlung. Warum das so ist, habe ich noch nicht herausbekommen. Es gibt zwar ein paar Hinweise… zum Beispiel bin ich ein Kaiserschnitt-Kind und wurde nicht gestillt. Nicht die Beste Ausgangsposition für ein gesundes Mikrobiom. Aber bestimmt nicht die Erklärung für all meine Probleme.
Auch die vielen Haferflocken und gemahlenen Leinsamen habe ich leider nicht vertragen. Nach ein paar Wochen musste ich das Experiment wieder abbrechen. Am Ende hat sich ziemlich oft alles vor meiner (eher leichten) Stenose aufgestaut und ich hatte sogar einmal einen Subileus (Vorstufe zum Darmverschluss). Ich bin nicht wirklich in Panik geraten, denn ich kennen diesen Zustand bei mir leider nur all zu gut. Aber ich habe natürlich sofort wieder auf meine derzeitige, gemüselastige, aber wenig ballaststoffhaltige, Ernährung umgestellt.
FAZIT
Für Betroffene ohne Stenosen und ohne Verwachsungen ist dieses Ernährungskonzept ein wirklich vielversprechender Ansatz und bestimmt einen Versuch wert. Ich halte die IBD-AID für eine sehr ausgereiftes und ausgewogenes Konzept. Besonders gut gefällt mir, dass es nicht so dogmatisch ist wie viele andere Ernährugsformen. Die „Erfinderin“ der IBD-AID, Dr. Barbara Olendzki, spricht selbst davon, dass sich das Konzept stets weiterentwickeln wird und man gerade erst anfängt, das Mikrobiom wirklich zu verstehen.
Ich hoffe wirklich sehr, dass dieser Ansatz, sollte er konsequent weiterentwickelt werden, auch irgendwann in Deutschland Akzeptanz findet und sich, ähnlich wie die FODMAP-Ernährung, zu einer modernen, das Mikrobiom berücksichtigenden, Form der Ernährungstherapie von Darmerkrankungen im Allgemeinen (nicht nur bei CED) entwickeln wird.
FÜR DIE WEITERE RECHERCHE
- Alle wichtigen Informationen zur Umsetzung der IBD-AID auf der offiziellen Website der UMass Medical School of Massachusetts
- Aufschlussreiches, ziemlich aktuelles Interview mit Dr. Barbara Olendzki
QUELLEN
- Barbara C Olendzki, Taryn D Silverstein, Gioia M Persuitte, Yunsheng Ma, Katherine R Baldwin and David Cave (2014): „An anti-inflammatory diet as treatment for inflammatory bowel disease: a case series report“, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3896778/, {2020, 4. Dezember}
- Julia Atanasov, Wiebke Schlörmann, Ulrike Trautvetter, Michael Glei (2020): „The effects of β-glucans on intestinal health“, https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2020/03_20/EU03_2020_PR_Glei_engl_Ansicht.pdf, {2020, 4. Dezember}
- rme/aerzteblatt.de (2015): „Colitis: Konservierungsmittel schädigen Schleimbarriere im Darm“, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/61960/Colitis-Konservierungsmittel-schaedigen-Schleimbarriere-im-Darm, {2020, 4. Dezember}
- John Vincent Martino, Johan Van Limbergen, Leah E Cahill (2017): „The Role of Carrageenan and Carboxymethylcellulose in the Development of Intestinal Inflammation“, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28507982/, {2020, 4. Dezember}
- Yoshikiyo Okada, Yoshikazu Tsuzuki, Toshihide Ueda, Hideaki Hozumi, Shingo Sato, Ryota Hokari, Chie Kurihara, Chikako Watanabe, Kengo Tomita, Shunsuke Komoto, Atsushi Kawaguchi, Shigeaki Nagao and Soichiro Miura (2013): „Trans fatty acids in diets act as a precipitating factor for gut inflammation?“, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/jgh.12270, {2021, 4. Dezember}