Ernährungskonzepte, Nahrungsmittelunverträglichkeiten
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FODMAP’s | CED und Reizdarm

Das zugegebenermaßen ziemlich sperrige Akronym FODMAP steht für die noch sperrigere englische Beschreibung „Fermentable Oligo-, Di- and Monosaccharides and Polyols“. Hä? Auf Deutsch: „Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Poyole“. Okay. Macht es jetzt auch nicht viel besser. Die Auflösung lautet: Der Begriff steht für eine Gruppe von kurzkettigen Kohlenhydraten, die vom Dünndarm aus verschiedenen Gründen nur schlecht oder gar nicht aufgenommen werden können und deshalb unverdaut in den Dickdarm wandern, wo sich Gärungsbakterien mit Freude über sie her machen, um sie zu fermentieren.

Zu dieser Gruppe gehören alte Bekannte, wie Fruktose (Monosaccharid) und Laktose (Disaccharid), aber auch Fruktane und Galaktane (Oligosaccharide), sowie Sorbitol und Mannitol (Polyole). FODMAP’s sind generell sehr kleine Moleküle mit einer hohen Wasserbindungskapazität (Osmolarität). Dadurch wird die Transitzeit durch den Darm beschleunigt und es kommt zu häufigeren Stühlen und Durchfall. Als kurzkettige Kohlenhydrate werden sie zudem besonders schnell fermentiert, sie sind quasi Fastfood für die Bakterien in deinem Dickdarm. Dies führt zu exzessiver Gasbildung.

Das Konzept der „Low-FODMAP-Diet“ wurde 2010 in Australien entwickelt, um die Symptome von funktionellen gastrointestinalen Störungen zu lindern. Sie wird heute weltweit mit großem Erfolg vor allem in der Behandlung des Reizdarm-Syndroms eingesetzt.

REIZDARMSYNDROM VS. CED

Wie genau unterscheiden sich funktionelle Verdauungsbeschwerden, wie das Reizdarmsyndrom eigentlich von Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa? Die Symptome können bei allen drei Erkrankungen durchaus sehr ähnlich sein. Es gibt Reizdarm-Patienten, deren Lebensqualität durch Beschwerden wir anhaltende Durchfälle oder Verstopfung, Bauchkrämpfe und Blähungen, aber auch Müdigkeit, Erschöpfung und Kopfschmerzen genauso stark eingeschränkt ist wie bei CED-Betroffenen. Der große Unterschied besteht darin, dass der Darm bei einem Reizdarmsyndrom nicht entzündet ist. Die Beschwerden haben also keine „organische“ Ursache, es gibt keine pathologische Veränderung am Organ selbst, sondern der Darm der Betroffenen reagiert aus noch nicht gänzlich geklärten Gründen sensibler als der von Gesunden. Deshalb spricht man von „funktionellen“ Darmbeschwerden.

Ähnlich wie bei CED geht man beim Reizdarm von unterschiedlichen Ursachen aus. Folgende Faktoren kommen dabei als Auslöser in Betracht:

  • Eine Überempfindlichkeit des enterischen Nervensystems (Darm-Hirn-Achse), sowie eine daraus resultierende Motilitätsstörung (der Darm reagiert träge und/oder hyperaktiv).
  • Eine veränderte Darmflora. Menschen mit Reizdarmsyndrom haben, wie CED-Betroffene auch, gegenüber Gesunden eine veränderte Bakterienzusammensetzung im Darm. Ob dies Ursache oder eher Folge der Erkrankung ist, ist aber noch nicht ausreichend geklärt.
  • Infektionen. Manche Betroffene entwickeln nach einer überstandenen Magen-Darm-Infektion ein Reizdarmsyndrom.
  • Ernährung. Viele Betroffene berichten, dass bestimmte Lebensmitteln ihre Beschwerden triggern. Und hier kommen dann endlich die FODMAP’s ins Spiel…

Warum erzähle ich eigentlich so viel über das Reizdarmsyndrom? Hier geht’s doch um CED? Es könnte tatsächlich sein, dass du zu denjenigen gehörst, die, obwohl sie klinisch in Remission sind (keine Entzündung mehr im Darm, alle Blutwerte sind im grünen Bereich) und keine Stenose haben, trotzdem noch über Beschwerden klagen. Dann ist es gut möglich, dass du zusätzlich zu deiner CED unter einem Reizdarm leidest. Es gibt Hinweise, dass CED-Patienten etwa 2-3 Mal häufiger ein Reizdarmsyndrom entwickeln. Na toll – als wäre die CED nicht schon besch*… genug. Für mich persönlich kommt das aber irgendwie gar nicht so überraschend, wenn man bedenkt, wie sehr unsere Därme in Mitleidenschaft gezogen werden. Da kann man schon mal beleidigt sein und zum Sensibelchen mutieren. But the good news is: Über eine Ernährungsumstellung kannst du hier wirklich viel erreichen!

DIAGNOSE DES REIZDARMSYNDROMS

Leider gibt es keinen generellen Test auf Reizdarmsyndrom. Und bei einer bestehenden CED ist es natürlich viel schwieriger festzustellen, ob man zusätzlich einen Reizdarm hat. Denn eigentlich erfolgt die Diagnostik des Reizdarms ja gerade durch Ausschluss von Erkrankungen wie CED, Divertikulitis, mikroskopische Kolitis oder Darm-Krebs. Erst wenn alle organischen Störungen ausgeschlossen worden sind, darf die Diagnose Reizdarmsyndrom überhaupt gestellt werden. Du versteht also das Dilemma.

Dein behandelnder Gastroenterologe kann sich hier aber auf den Calprotectin-Wert als aussagekräftigen Entzündungsmarker verlassen. Liegt er im Normbereich – bist du entzündungsfrei. Als großer Fan der Erfahrungsmedizin rate ich dir deshalb einfach: Probier es aus! Wenn du ständig Symptome hast, ohne im Schub zu sein, kann eine FODMAP-arme Ernährung wirklich dabei helfen, ein Stück Lebensqualität zurückzugewinnen.

➤ Besonders geeignet ist die FODMAP-arme Ernährung für:

  • CED-Betroffene mit einer Laktose-Intoleranz, die unter einer laktosefreien Ernährung keine Besserung erfahren
  • CED-Betroffene mit einer Fruktose-Intoleranz, die unter einer fruktosearmen Ernährung keine Besserung erfahren
  • CED-Betroffene mit einer Gluten-Sensitivität (NCGS), die unter einer glutenfreien Ernährung keine Besserung erfahren
  • CED-Betroffene mit einem ileoanalen Pouch (nach Ausschluss einer Pouchitis), die mehr als 8-10 Stühle am Tag haben

DIESE LEBENSMITTEL ENTHALTEN FODMAP’S

FODMAP’s werden in vier Hauptgruppen eingeteilt:

FRUKTOSE (MONOSACCHARID): z.B. enthalten in Äpfeln, Birnen, Kirschen, Feigen, Mangos, Honig, Fruchtsäfte, Agavendicksaft, Fruktose-Glukose-Sirup

LAKTOSE (DISACCHARID): z.B. enthalten in Milch, Quark, Joghurt, Frischkäse, Eiscreme, Desserts, Milchpulver

FRUKTANE & GALAKTANE (OLIGOSACCHARIDE): z.B. enthalten in Knoblauch, Zwiebeln, Lauch, Weizen & Weizenprodukten, Hülsenfrüchten, Pistazien, Cashews

ZUCKERALKOHOLE (POLYOLE): wie z.B. die Zuckeraustauschstoffe Sorbitol, Mannitol, Isomalt, Xylitol; aber auch natürlich enthalten in Äpfeln, Aprikosen, Nektarinen, Pflaumen, Pilzen, Blumenkohl

Fachlich fundierte, vollständige Lebensmittellisten zur FODMAP-armen Ernährung findest du hier.

Bereits in meinem Post über Weizen habe ich das Thema Fruktane angesprochen. Roggen und Weizen enthalten relativ viel davon. Dinkel hat hingegen einen deutlich geringeren Fruktan-Gehalt. Solltest du nur leicht empfindlich auf Fruktane reagieren, dann sind Backwaren aus reinem Dinkelmehl für dich gut geeignet. Die Bekömmlichkeit von Dinkel-Brot lässt sich außerdem über eine lange Teigführung verbessern. Durch die enzymatischen Vorgänge beim Gären werden Fruktane abgebaut. Du solltest also auf traditionell hergestelltes Sauerteig-Brot setzen oder selbst backen. Je länger du den Teig gehen lässt, um so weniger Fruktane enthält dein Brot. Bist du sehr empfindlich, solltest du lieber auf glutenfreie Getreide, wie Reis, Hirse, Mais und Hafer, oder aber auf Pseudogetreide, wie Quinoa, Buchweizen oder Amaranth zurückgreifen. Diese enthalten nur sehr wenig bis gar keine Fruktane und sind eigentlich fast immer verträglich.

FODMAP’S ELIMINIEREN UND LANGSAM WIEDER EINFÜHREN

So wie bei allen anderen Eliminationsdiäten, wird auch bei der FODMAP-armen Ernährung zunächst strikt auf alle FODMAP-reichen Lebensmittel verzichtet. Diese Phase sollte maximal 6-8 Wochen dauern. In diesem Zeitraum solltest du bereits eine Besserung deiner Symptome feststellen können. Nach diesem Zeitraum kannst du Lebensmittel vorsichtig wieder einführen und testen, ob du diese (wieder) verträgst. Entweder du beginnst mit einzelnen Lebensmitteln (die du am meisten vermisst) oder du testest deine Verträglichkeit der verschiedenen FODMAP-Gruppen. Häufig werden nämlich nicht alle Gruppen gleichermaßen schlecht vertragen.

Für einen Selbsttest auf die Verträglichkeit von Fruktose bieten sich z.B. ein Esslöffel Honig oder 2-3 Äpfel an. Beides enthält viel Fruktose. Die Verträglichkeit von Laktose kannst du ganz einfach mit einem Glas Vollmilch austesten. Aber Vorsicht: Es könnte auch sein, dass es nicht die Laktose ist, die deinem Darm zu schaffen macht, sondern das Milcheiweiß. Deshalb kannst du auch (wenn du während der Eliminationsdiät ganz auf Milchprodukte – auch laktosefreie – verzichtet hast) in zwei Stufen testen. Zuerst ein Glas laktosefreie Milch und, wenn das verträglich ist, am nächsten Tag ein Glas laktosehaltige Milch. Ob du Fruktane verträgst, kannst du leicht ermitteln, indem du eine Zwiebel oder 2-3 Zehen Knoblauch (müssen nicht roh sein!) verzehrst. Bei den Poyolen ist es etwas schwieriger, weil fast alle Obst- und Gemüsesorten mit einem nennenswerten Anteil an Polyolen meist auch recht viel Fruktose enthalten. Am besten du kaust an einem Tag einfach 3-5 „zuckerfreie“ Kaugummis. Danach solltest du Bescheid wissen.

Wie immer ist es dabei aber höchst individuell welche der FODMAP-Gruppen du verträgst und auch welche Lebensmittel innerhalb einer Gruppe. Das kann, je nach FODMAP-Gehalt, zum Teil sehr unterschiedlich sein. Ich vertrage zum Beispiel Zuckerersatzstoffe, also künstliche Polyole, überhaupt nicht. Avocados, die eigentlich zu den Polyol-haltigen Früchten (ja, die Avocado ist eine Frucht und kein Gemüse!) gehören, vertrage ich hingegen hervorragend und wirklich immer. Hier kommt dann das von mir immer wieder viel gelobte Ernährungstagebuch zum Einsatz. Wenn du wirklich ganz genau aufschreibst, was, wann und am besten auch wieviel du gegessen hast, wird es dir gelingen deine Unverträglichkeiten aufzudecken. Klingt nach Arbeit – ist es auch. Und ich kann nur gebetsmühlenartig wiederholen: Es lohnt sich wirklich!

Am Ende dieser Reise steht deine ganz persönliche Wohlfühl-Ernährung. Wie immer kann sich der Grad der Verträglichkeit bestimmter Lebensmittel im Rahmen deines Krankheitsverlaufs auch wieder verändern. Vielleicht schaffst du es in eine langanhaltende Remission und verträgst nach und nach wieder fast alles. Vielleicht merkst du aber auch an einer immer schlechteren Verträglichkeit deiner „Culprits“ (Übeltäter – so nenne ich Lebensmittel, die bei mir potenziell Beschwerden verursachen), dass du gerade dabei bist, wieder in einen Schub zu rutschen. Bei mir ist das zumindest ein ziemlich guter Indikator. Im Schub habe ich zum Beispiel nicht nur eine sehr viel stärker ausgeprägte Fruktose-Intoleranz, sondern vertrage auch die meisten Fruktan-haltigen Gemüsesorten nicht besonders gut. In Remission habe ich damit überhaupt keine Probleme.

FAZIT UND PERSÖNLICHE ERFAHRUNG

Nach meiner Fruktose-Intoleranz-Diagnose habe ich zunächst alle fruktosehaltigen Lebensmittel aus meinem Speiseplan gestrichen. Ich war gerade dabei, meine Ernährung Richtung Paleo umzustellen und deshalb insgesamt in einer sehr experimentierfreudigen Phase, weil es mir durch den Verzicht auf Gluten und Milchprodukte so viel besser ging. Nachdem ich das Buch „The Complete Low-Fodmap Diet“ von Sue Shepherd gelesen hatte, strich ich für einen Monat konsequent alle FODMAP-haltigen Lebensmittel von meinem Speiseplan. In Kombination mit Paleo bedeutete das echt richtig viel Verzicht! Aber ich wollte es einfach wissen.

Am allermeisten habe ich meine geliebten Avocados vermisst! Die habe ich dann auch als Erstes wieder eingeführt und hatte überhaupt keine Probleme damit. Ich dachte, damit seien die Polyole vom Tisch – aber leider habe ich gemerkt, dass mir Sorbit durchaus Probleme bereitet. Vor allem als Zuckeraustauschstoff in „zuckerfreien“ Lebensmitteln (die ich aufgrund der Umstellung auf Paleo aber sowieso nicht mehr gegessen hatte), aber auch natürlich vorkommend in manchen Obstsorten.

Fruktane machten mir zu Anfang nur in Form von Zwiebelnd und Knoblauch Probleme – inzwischen vertrage ich beides (gegart) einwandfrei. Dass ich mit Galaktanen (enthalten in Hülsenfrüchten) nicht klar komme, wusste ich bereits vor meiner Ernährungsumstellung. Soja vertrage ich komischerweise in Form von Sojamilch und Tofu ohne Probleme. Auf Bohnen, Linsen und Kichererbsen verzichte ich eigentlich schon mein ganzes Leben. Wobei ich seit neuestem mit roten Linsen experimentiere und diese zur Zeit in kleinen Mengen gut vertrage. Damit kann man wirklich so viele tolle (vegane) Gerichte zaubern!

Für mich hat das Thema FODMAP’s vor allem neue Fakten zu Unverträglichkeiten geliefert, von denen ich zwar bereits intuitiv wusste, die ich mir aber nicht so recht erklären konnte. Wenn man sich die FODMAP-Gruppen vor Augen hält und weiß, welche Gruppen für einen selbst evtl. problematisch sein könnten, kann man viel bewusster mit möglichen Reaktionen umgehen und seine individuellen Schlüsse ziehen.

Ich würde dir unbedingt empfehlen, die FODMAP-Ernährung auszuprobieren, wenn du eigentlich in Remission bist, aber immer noch Symptome wie Blähungen, Schmerzen, Durchfall und/oder Verstopfung hast. Aber auch im Schub kann die FODMAP-arme Ernährung Symptome lindern. Wenn du Unterstützung bei der Umsetzung deiner Ernährungsumstellung brauchst, helfe ich dir gerne dabei.

FÜR DIE WEITERE RECHERCHE

  • Die FODMAP-Website von Prof. Dr. med. Martin Storr ist sehr zu empfehlen. Der Gastroenterologe lehrt an der Ludwig-Maximillans-Universität in München und gilt als der deutsche „Reizdarm-Papst“. Auf der Seite findest du wissenschaftlich fundierte Infos und sehr detaillierte Lebensmittellisten.
  • Wenn du noch tiefer in das Thema eintauchen möchtest, solltest du dir auf jeden Fall auch das Buch „Der Ernährungsratgeber zur FODMAP-Diät“ zulegen. Autor ist ebenfalls Dr. med. Martin Stoll.
  • Wer gerne Original-Texte liest und noch etwas tiefer eindringen möchte, dem sei außerdem das Buch „The Complete Low-Fodmap Diet: A Revolutionary Plan for Managing Ibs and Other“ empfohlen. Die beiden australischen Ernährungswissenschaftler Sue Shepherd und Peter Gibson gelten als Erfinder der FODMAP-Ernährung.

QUELLEN

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