Eiweiß, auch Protein genannt, gehört, neben Kohlenhydraten und Fett, zu den Hauptnährstoffen (Makronährstoffen). Anders als die beiden erstgenannten benötigt unser Körper Protein jedoch nicht primär zur Energiegewinnung, sondern als Baustoff für unsere Zellen. Etwa 20% des menschlichen Körpers besteht aus Eiweiß. Dort erfüllt es verschiedenste Funktionen und dient bei weitem nicht nur dem Aufbau von Muskelmasse. In diesem Artikel erfährst du, wofür wir Eiweiß benötigen und warum eine proteinreiche Ernährung gerade bei Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa so wichtig ist.
Zunächst also ein bisschen Biochemie (kurz und knackig):
Je nach Funktion werden Eiweiße in unserem Körper in verschiedene Hauptgruppen aufgeteilt:
PROTEIN-GRUPPE | FUNKTION |
---|---|
Strukturproteine (z.B. Kollagen, Elastin, Keratin) | Geben Zellen ihre Form und Gewebe seine Festigkeit. Beispiel: Haare, Nägel, Bindegewebe. |
Kontraktile Proteine (z.B. Myosin, Aktin) | Sorgen dafür, dass sich die Muskeln zusammenziehen. Ohne diese Proteine könnten wir uns nicht bewegen. |
Speicherproteine (z.B. Ferritin) | Kennst du ja vielleicht aus dem Labor, wenn deine Eisenwerte gecheckt werden. Ohne Ferritin könnte unser Körper kein Eisen speichern. |
Schutzproteine (z.B. Immunglobuline, Fibrinogen) | Ohne Protein keine Antikörper! Antikörper dienen der Kenntlichmachung und Abwehr von in den Körper eindringenden Fremdstoffen (Bakterien, Viren). Fibrinogen ist an der Blutgerinnung beteiligt. |
Transportproteine (z.B. Albumin, Transferrin, Hämoglobin) | Diese Proteine transportieren lebenswichtige Stoffe durch das Blut zu den Zellen. Beispiel: Hämoglobin transportiert Sauerstoff. |
Hormone | Peptid- und Proteohormone steuern im Körper viele wichtige Vorgänge. Beispiele: Insulin (senkt den Blutzuckerspiegel), Erythropoetin (wichtig für die Blutbildung). |
Enzyme | Bei fast allen Enzymen handelt es sich um Proteine. Enzyme sind für den Stoffwechsel und unsere Verdauung von zentraler Bedeutung. |
AMINOSÄUREN CLEVER KOMBINIEREN
Chemisch betrachtet bestehen Proteine aus langen Ketten, den Aminosäuren. Unser Körper kombiniert 20 verschiedene Aminosäuren, um daraus alle benötigten Eiweißstoffe synthetisieren. Allerdings kann er nur 12 davon selbst herstellen, 8 Aminosäuren müssen über die Nahrung zugeführt werden. Man nennt sie deshalb auch essenzielle oder unentbehrliche Aminosäuren.
Zu den essenziellen Aminosäuren gehören:
- Isoleucin
- Leucin
- Lysin
- Methionin
- Phenylalanin
- Theronin
- Tryptophan
- Valin
Tierische Proteinquellen enthalten in der Regel alle 8 essenziellen Aminosäuren. Pflanzliches Eiweiß hat zunächst nur ein unvollständiges Aminosäure-Profil. Wenn man es allerdings clever miteinander kombiniert, lässt sich der Bedarf auch über eine rein pflanzliche Ernährung decken. Wenn du dich vegan ernährst, ist es ganz besonders wichtig, bunt und abwechslungsreich zu essen und unterschiedlichste Eiweißquellen zu nutzen.
DIE BIOLOGISCHE WERTIGKEIT
Die Vollständigkeit des Aminosäure-Profils eines Eiweißes ist also ausschlaggebend dafür, wie effektiv es vom Körper verwertet wird, das heißt, wie viel des aufgenommenen Eiweißes tatsächlich in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann.
Als Referenz gilt das Hühnerei – es hat eine biologische Wertigkeit von 100, weil es dem menschlichen Aminosäure-Profil am ähnlichsten ist und deshalb am besten verwertet wird. Bei der biologischen Wertigkeit hat tierisches Protein generell die Nase vorn. Durch clevere Kombinationen kannst du die biologische Wertigkeit deiner Eiweißmahlzeit sogar über den Faktor 100 erhöhen.
Clevere Kombinationen sind z.B.:
EIWEIßKOMBINANTION | BIOLOGISCHE WERTIGKEIT |
---|---|
Ei & Kartoffeln | 136 |
Ei & Reis | 123 |
Ei & Mais | 114 |
Fleisch & Kartoffeln | 114 |
BESONDERS EIWEIßREICHE LEBENSMITTEL
Allerdings spielt der Eiweißgehalt eines Lebensmittels natürlich auch noch eine Rolle. So hat Reis beispielsweise zwar eine hohe biologische Wertigkeit von 80, 100 g (roher) Reis enthält im Schnitt aber nur 7 g Eiweiß. Hülsenfrüchte haben hingegen eine biologische Wertigkeit von 50, enthalten dafür pro 100 g aber teilweise weit über 20 g Eiweiß.
LEBENSMITTEL | EIWEIßGEHALT IN PROZENT (ca.) | BIOLOGISCHE WERTIGKEIT (ca.) |
---|---|---|
Hähnchenbrust | 31 | 80 |
Mageres Rindfleisch | 26 | 83 |
Vollei | 13 | 100 |
Thunfisch | 25 | 90 |
Seelachs | 19 | 75 |
Parmesan | 38 | 85 |
Emmentaler | 29 | 85 |
Magerquark | 13 | 81 |
Sojabohnen (getrocknet) | 35 | 84 |
Tofu | 14 | 55 |
Linsen (getrocknet) | 23 | 60 |
Erbsen (tiefkühl) | 7 | 43 |
Reis (ungekocht) | 7 | 83 |
Quinoa (ungekocht) | 13 | 80 |
Erdnuss | 26 | 43 |
EIWEIßBEDARF BEI CED
Na gut, das waren jetzt doch ganz schön viele trockene Fakten. Also doch nicht kurz – aber ich hoffe trotzdem knackig! Gerade als CED-ler ist es wichtig, sich einen Überblick über die Qualität der verschiedenen Nahrungseiweiße zu verschaffen. Dazu gleich mehr.
Da unser Körper nicht in der Lage ist, Eiweiß über einen längeren Zeitraum zu speichern, ist er darauf angewiesen, dass wir ihn täglich mit ausreichend Protein versorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt als Richtwert 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht an. Bei einem Gewicht von 60 kg sind das also 48 g Eiweiß pro Tag.
Allerdings gilt dieser Wert für Gesunde. Für uns CED-ler kann er zumindest phasenweise deutlich höher liegen. Im Schub solltest du pro Tag ca. 1,2 – 1,4 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zu dir nehmen, wenn:
- du mit Cortison therapiert wirst. Cortison greift in den Eiweißstoffwechsel ein und bewirkt langfristig einen Abbau der Muskulatur.
- du vermehrt Eiweiß über die Entzündung im Darm verlierst. Das führt oft zu einem Albuminmangel (das Eiweiß ist unter anderem für die Aufrechterhaltung des osmotischen Drucks in den Blutgefäßen zuständig – fällt dieser ab, bilden sich vermehrt Ödeme im Gewebe). Wenn du also plötzlich Wassereinlagerungen, vor allem in den Beinen, bemerkst, solltest du deinen Gesamteiweiß-, bzw. Albumin-Spiegel kontrollieren lassen.
- du, bei Morbus Crohn, eine nennenswerte Dünndarmbeteiligung hast. Durch die Entzündung im Dünndarm ist die generelle Absorptionsfähigkeit herabgesetzt, so dass unter anderem auch weniger Protein aufgenommen wird.
- du viel Blut verlierst. Denn Blutverlust führt nicht nur zu einer Eisenmangel-Anämie, sondern du verlierst natürlich auch die Proteinanteile im Blut.
Ein entzündlicher Schub stellt insgesamt eine Stresssituation für deinen gesamten Körper dar, unter der sich der Gesamtenergie und -nährstoffbedarf erheblich erhöhen kann.
Auch nach einem ausgedehnten Schub oder nach einer OP ist der Eiweißbedarf erhöht, da der Körper zur Regeneration viel Eiweiß benötigt.
TIERISCHES ODER PFLANZLICHES EIWEIß?
Ernährungsbedingter Eiweißmangel bei ansonsten gesunden Menschen kommt in Industrieländern eigentlich nicht vor. Im Gegenteil: die durchschnittliche Standard-Mischkost enthält häufig sehr viel tierisches Eiweiß.
In kurzer Exkurs zum Thema tierisches vs. pflanzliches Eiweiß:
Mehrere aktuelle Studien sprechen dafür, dass eine pflanzenbasierte Ernährung sich günstig auf das Entzündungsgeschehen im Darm auswirkt. Darunter auch eine sehr beeindruckende Einzelfall-Beobachtung, eines Mannes aus den USA mit einem moderaten, aber chronisch-aktiven Morbus Crohn, der schlecht auf medikamentöse Therapie ansprach. Aus religiösen Gründen stellte er seine Ernährung zunächst für 40 Tage von einer westlichen Standard-Kost auf eine Ernährung ganz ohne hochverarbeitete Lebensmittel und tierische Produkten um.
Nachdem seine Symptome sich sehr schnell gebessert hatten, blieb der Mann bei dieser Ernährungsform. Nach 6 Monaten zeigte sich bei einer Endoskopie das Bild eines vollkommen entzündungsfreien Darms.
Man darf allerdings nicht vergessen, dass es sich hier wirklich nur um einen einzigen medizinisch dokumentierten Fall handelt. Inwieweit allein der Verzicht auf tierisches Protein zu einer so raschen Verbesserung geführt hat oder ob nicht auch die Umstellung auf eine nährstoffreiche, unverarbeitete Ernährung, frei von chemischen Zusatzstoffen zur Remission beigetragen hat, bleibt hier völlig offen.
Interessant ist der Fall aber vor allem deshalb, weil der Mann seine Ernährung gar nicht mit der Absicht umgestellt hat, seine Symptome zu lindern. Deshalb kann hier der Placebo-Effekt komplett vernachlässigt werden. Diese psychologische Komponente spielt nämlich normalerweise in der Ernährungsmedizin eine nicht zu vernachlässigende Rolle.
Auf der anderen Seite gibt es auch Hinweise darauf, dass manchen Patienten eine kohlenhydratarme, eher fett- und proteinreiche Kost helfen kann, ihre Symptome zu lindern. Diese ist dann meist auch automatisch reich an tierischem Protein. Wer mehr dazu erfahren möchte, liest am besten meine Posts zu SCD und Paleo.
Mein Fazit: Es bleibt kompliziert. Weil Ernährung einfach ein sehr individuelles Thema ist. Für Gesunde, aber natürlich ganz besonders auch für uns CED-ler.
WIE DU DEINEN EWEIßBEDARF IM SCHUB AM BESTEN DECKST
Im Schub sollten wir uns wirklich ganz und gar darauf konzentrieren unseren Körper mit dem zu versorgen, was er gerade dringend benötigt. Und wir sollten unseren Darm nicht zusätzlich mit Lebensmitteln belasten, die wir nicht vertragen. Das kann manchmal sehr tricky sein!
Übelkeit, Schmerzen und die Angst davor, durch das Essen alles nur noch schlimmer zu machen, führen fast immer dazu, dass wir im Schub insgesamt zu wenig Kalorieren und damit natürlich auch zu wenig Makro- und Mikronährstoffe aufnehmen. Desshalb solltest du vom Arzt, neben Eisen, Vitamin B12, Vitamin D, Calcium, Zink und Folsäure, auch deinen Gesamteiweißspiegel bestimmen lassen.
Achte während des Schubs darauf, dass deine Eiweißquellen eine hohe Proteindichte aufweisen (damit du, trotz kleiner Portionen genügend Eiweiß aufnehmen kannst) und außerdem eine hohe biologische Wertigkeit haben. Und natürlich solltest du sie einigermaßen vertragen.
Mach dich dabei komplett frei von sozialen Zwängen, gutgemeinten Ratschlägen und dogmatischen Ernährungskonzepten. DU weißt jetzt, was dir am besten bekommt! Und wenn du dich bisher pflanzenbasiert ernährt hast, im Schub aber vielleicht kein pflanzliches Eiweiß (Hülsenfrüchte!) mehr verträgst, dann bitte bitte, nutze ALLE Quellen hochwertigen Eiweißes, die dir bekommen und sorge dafür, dass du ausreichend versorgt bist!
Denn ein Eiweißmangel wirkt sich viel gravierender auf deinen, sowieso schon durch die Entzündung gestressten Körper aus, als ein eventuell proinflammatorischer Effekt tierischen Proteins. Er schwächt dein Immunsystem, setzt deine Leistungsfähigkeit noch weiter herab, sorgt für (noch) schnelleren Muskelabbau, reduziert die Enzymaktivität im Darm und wirkt sich damit negativ auf deine Verdauung aus, verringert den Anteil der Proteine im Blut und kann so eine bereits bestehende Anämie verstärken und außerdem zu Wassereinlagerungen führen.
FAZIT UND PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN
Das Thema Eiweißzufuhr beschäftigt mich sehr. Als ständig mit Untergewicht kämpfender Dünndarm-Crohni, fällt es mir selbst in Remission oft schwer, genügend Kalorien aufzunehmen (da mein Dünndarm schon sehr kurz ist). Seit der letzten OP ist es mir leider nicht mehr gelungen, adäquat Muskelmasse aufzubauen. Ich war früher zwar zierlich aber, dank viel Sport, durchaus muskulös.
Momentan ernähre ich mich vorwiegend pflanzenbasiert. Zum einen, weil mir bewusst ist, dass diese Ernährungsform, richtig umgesetzt, grundsätzlich gesund ist. Zum anderen aber auch, weil mich der Gedanke an Massentierhaltung, Tierleid und Ressourcenvergeudung wirklich abstößt.
Die wichtigste Eiweißquelle einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung stellen unbestritten Hülsenfrüchte, wie Bohnen, Linsen, Kichererbsen und Erbsen dar. Leider habe ich damit auch in Remission große Probleme. Selbst frische Erbsen kann ich nur in ganz kleinen Mengen essen. Bohnen, Kichererbsen und Linsen gehen gar nicht. Nüsse, auch eine gute Eiweißquelle, vertrage ich auch nur in kleinen Mengen und eher als Nussmus. Konzentrierte Eiweißprodukte, also pflanzliche Proteinpulver, sind für mich unglücklicherweise auch vollkommen unverträglich.
Aufgrund meiner Milcheiweißunverträglichkeit fallen außerdem alle Milchprodukte komplett weg. Ihr erkennt wahrscheinlich mein Dilemma. Ausschließlich pflanzenbasiert kommt für mich nicht in Frage. Deshalb kombiniere ich leicht verträgliche und biologisch hochwertige pflanzliche und tierische Eiweißquellen, wie z.B. Kartoffeln und Ei, Tofu und Ei, Fisch und Reis oder aber, rein pflanzlich, morgens zum Frühstück, Reis, Hirse, Amaranth und Nussmus getoppt von Hanf- und Sesamsamen in einem leckeren Porridge.
Mittlerweile weiß ich, wie ich trotz meiner Unverträglichkeiten meinen täglichen Eiweißbedarf decken kann, ohne Unmengen an Fleisch zu essen und experimentiere in der Küche ganz intuitiv. Wenn du dir unsicher bist, wieviel Eiweiß du benötigst und ob du täglich genug isst, empfehle ich dir diese App zum Tracken deiner Nährstoffe. Die Grundversion ist kostenfrei und für diesen Zweck völlig ausreichend. Sie hat mir am Anfang wirklich geholfen, ein Gefühl für meinen Makronährstoff-Intake zu bekommen.
QUELLEN
- von Koerber K., Männle T, Leitzmann C. (2004): „Vollwert-Ernährung. Konzeption einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung“, 10. Auflage, Haug Verlag, Stuttgart.
- Kasper, H.: (2014): „Ernährungsmedizin und Diätetik“, 12. Auflage, ELSEVIER Urban & Fischer Verlag, München.
- Ulrich, S., Kriener, K., Stein, J. (2010): „Ernährung bei CED im klinischen Alltag“, Bauchredner 01/2010, DCCV, {01. November 2021}
- Chiba, M. et al (2019): „Recommendation of plant-based diets for inflammatory bowel disease“, NCBI, {02. November 2021}
- Kostovcikova, K. et al (2021): „Diet Rich in Animal Protein Promotes Pro-inflammatory Macrophage Response and Exacerbates Colitis in Mice„, Frontiers in Immunology, {02. November 2021}
- Sandefur, K. et al (2019): „Crohn’s Disease Remission with a Plant-Based Diet: A Case Report“, NCBI, {02. November 2021}