
Zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (abgekürzt CED) gehören Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, zwei eigentlich sehr unterschiedliche und trotzdem verwandte Erkrankungen. Ich stelle hier beide relativ kurz und möglichst verständlich vor. Falls du mehr erfahren willst, nenne ich im Anschluss noch ein paar gute und seriöse Quellen für die weitere Recherche.
Aber bitte nicht erschrecken: was du im Folgenden liest, kann passieren – muss aber nicht. Es verhält sich hier in etwa so, wie beim Lesen eines Beipackzettels. Die meisten Betroffenen können ein ganz normales, erfülltes Leben führen. Und wirklich jeder Verlauf ist anders. Oft auch ganz untypisch. Ich habe beispielsweise keinen Durchfall. Nie gehabt. Kommt auch vor bei CED. Also lass dich bitte nicht verunsichern, ich fasse hier nur die Fakten zusammen.
Bis heute sind die Ursachen für die Entstehung von CED nicht geklärt. Es sind sogenannte multifaktorielle Erkrankungen, als Ursache wird eine Kombination aus genetischer Veranlagung, verschiedener Umweltfaktoren (Rauchen, Ernährung, Hygiene) und einer Barrierestörung der Darmschleimhaut in Verbindung mit einem Mangel an Defensinen (Peptide, die dafür sorgen, dass schädliche Mikroorganismen eliminiert werden, quasi eine Art körpereigenes Antibiotikum) vermutet. Auch der Zusammensetzung des Mikrobioms (also der Summe aller Darmbakterien) wird eine Rolle zugesprochen. Es handelt sich vermutlich also nicht um eine Autoimmunerkrankung im engeren Sinne, sondern das Immunsystem wird erst dadurch aktiviert, das sich an der Darmwand Mikroorganismen ansiedeln, die dort eigentlich nicht hingehören.
Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa gehören, entgegen früherer Annahme, auch nicht zu den psychosomatischen Erkrankungen. Inwiefern die Psyche eine Rolle spielt, ist nicht ausreichend geklärt. Sicher ist, dass Stress zu den Faktoren gehört, die einen Schub begünstigen. Viele Betroffene leiden außerdem an Angststörungen und Depressionen. Ob diese im Einzelfall eine Folge des manchmal sehr belastenden Krankheitsverlaufs einer CED sind oder ob man als CED-ler grundsätzlich eine Veranlagung dafür hat, ist ebenfalls unklar.
Die Anzahl der Erkrankungen nimmt weltweit kontinuierlich zu. Alleine in Deutschland sind momentan ca. 400.000 Menschen an an einer CED erkrankt. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind die Betroffenen meist zwischen 15 und 30 Jahre alt.
Beide Erkrankungen sind chronisch und gelten als nicht heilbar. Sie verlaufen schubförmig, das bedeutet, Phasen mit hoher Krankheitsaktivität wechseln sich mit entzündungs- und meist auch beschwerdefreien Phasen ab. Eine CED kann sehr unterschiedliche verlaufen. Mache Betroffenen haben nur alle paar Jahre einen Schub, der sich dann meist auch relativ schnell mit Medikamenten wieder in den Griff bekommen lässt. Andere haben einen chronisch-aktiven Verlauf. Das bedeutet, die Entzündung lässt sich auch medikamentös nie ganz eindämmen. Hier treten häufiger Komplikationen auf und die Betroffenen müssen öfter ins Krankenhaus und sich eventuell sogar operieren lassen. Es lässt sich aber absolut nicht voraussagen, wie sich die Krankheit im Laufe des Lebens entwickelt.
MORBUS CROHN
Bei Morbus Crohn kann sich im Gegensatz zur Colitis Ulcerosa der gesamte Verdauungstrakt, vom After bis zur Mundhöhle entzünden. Meist ist aber das terminale Ileum, also das letzte Dünndarmstück, und der erste Teil des Dickdarms betroffen. Ebenfalls anders als bei Colitis Ulcerosa verläuft die Entzündung „diskontinuierlich“, das bedeutet, enztündete Darmabschnitte wechseln sich mit gesunden ab. Noch ein Unterschied besteht in der Art der Entzündung: Bei Morbus Crohn können sich alle Schichten der Darmwand entzünden. Was dann auch zu den typischen Komplikationen wie z.B. Fistelbildung und Stenosen führen kann.
Die typischsten Symptome sind:
- Bauchschmerzen (besonders häufig im rechten Unterbauch)
- Durchfall (im Gegensatz zur Colitis Ulcerosa meist unblutig)
- Gewichtsverlust
- Fieber
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit, manchmal auch Erbrechen
- Abgeschlagenheit und Müdigkeit
- Mangelernährung
Komplikationen die bei Morbus Crohn auftreten können und meist einen operativen Eingriff erfordern:
- Stenosen (entzündliche oder vernarbte Engstellen im Darm)
- Fisteln (Verbindungsgänge, die sich zwischen Darmabschnitten, aber auch zwischen Darm und anderen Organen, wie z.B. der Blase oder sogar der Haut bilden können)
- Abszesse (häufig verursacht durch „blind“ im Gewebe endende Fisteln)
Häufiger als bei Colitis Ulcerosa kann es außerdem zu sogenannten extraintestinalen Manifestationen, also Begleiterscheinungen außerhalb des Darmes kommen:
- Entzündliche Veränderungen der Mundschleimhaut (Aphthen)
- Entzündliche Veränderungen der Haut (Pyoderma gangraenosum, Erythema nodosum)
- Entzündliche Veränderung der Augen (Uveitis, Episkleritis)
- Gelenkentzündungen (Arthritis, Ankylosierende Spondylitis)
- Entzündungen der Gallenwege (PSC)
COLITIS ULCEROSA
Colitis Ulcerosa ist eine chronische, in Schüben verlaufende Entzündung des Dickdarms. Sie bildet Geschwüre an der inneren Schleimhautschicht des Colons (Dickdarm). Die Entzündung breitet sich kontinuierlich vom Mastdarm in Richtung Dünndarm aus. Sie schreitet aber nie weiter als bis zum Übergang zwischen Dick- und Dünndarm voran. Colitis Ulcerosa lässt sich also, im Gegensatz zum Morbus Crohn, durch eine komplette Entfernung des Dickdarms „heilen“.
Typische Symptome:
- Sehr häufige Durchfälle, oft blutig (ständiger Stuhldrang, auch nachts)
- Bauchschmerzen, starke Bauchkrämpfe beim Stuhlgang
- Fieber
- Schwäche, starkes Krankheitsgefühl
Komplikationen, die bei Colits Ulcerosa auftreten können und meist einen operativen Eingriff erfordern:
- Toxisches Megakolon (Erweiterung des Dickdarms mit Gefahr eines Darmdurchbruchs und Bauchfellentzündung)
- Massive Blutungen
- Dickdarmkrebs (Risiko um 10% erhöht, bei ausgedehntem Befall und einer Krankheitsdauer von 20 Jahren)
Begleiterscheinungen außerhalb des Darms sind bei Colitis Ulcerosa insgesamt seltener. Es können aber vorkommen:
- Entzündliche Veränderungen der Mundschleimhaut (Aphthen, Stomatitis aphthosa)
- Entzündliche Veränderungen der Haut (Pyoderma gangraenosum, Erythema nodosum)
- Entzündliche Veränderung der Augen (Uveitis, Episkleritis)
- Gelenkentzündungen (Arthritis, Morbus Bechterew)
- Entzündungen der Gallenwege (PSC)
- Herzbeutelentzündung (Perikarditis)

DIAGNOSE
Diagnose und Therapie beschreibe ich hier nur kurz. Hier solltest du dich in unbedingt an die Therapieempfehlungen deines behandelnden Arztes halten. Folgendes möchte ich dir an dieser Stelle ans Herz legen: Es ist unglaublich wichtig, einen guten Gastroenterologen zu haben, der sich wirklich mit deinem Krankheitsbild auskennt. Es tut sich in der Therapie momentan eine Menge, dein Arzt sollte wirklich up-to-date sein. Das kannst und musst du auch einfordern! Genauso wichtig ist es allerdings auch, dass die Chemie stimmt und du deinem Arzt wirklich vertraust. Schließlich wird er dich im Idealfall ein Leben lang begleiten.
Neben einer ausführlichen Anamnese spielen folgende Verfahren bei der Diagnostik eine Rolle:
- Blutuntersuchung: BSG, CRP, Leukozyten (Entzündungsaktivität), HB, Ferritin, Eisen (Anämie), Albumin, Gesamteiweiß (Mangelernährung)
- Stuhluntersuchung: Calprotectin (sehr aussagekräftiger Entzündungsmarker), Untersuchung auf evtl. bakterielle Erreger
- Koloskopie (Darmspiegelung)
- Gastroskopie (Magenpiegelung – bei Morbus Crohn)
- MR-Sellink (MRT zur Beurteilung des Dünndarms bei Morbus Crohn)
- Kapselendoskopie
Goldstandard ist die Darmspiegelung. Hier kann der Arzt auch gleich eine Gewebeprobe für den histologischen Befund entnehmen. Nur so lässt sich die Erkrankung sicher diagnostizieren. Bei einer Entzündung im Dickdarm gelingt es allerdings nicht immer, Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn klar voneinander abzugrenzen.
THERAPIE
Leider gibt es noch keine kausale Behandlung, da die Auslöser von CED nicht bekannt sind. Die Erkrankungen lassen sich deshalb auch nicht heilen. Die Therapie zielt darauf ab, die Entzündung zu bekämpfen und die Betroffenen möglichst in Remission (entzündungsfreie Phase) zu bringen oder zumindest eine möglichst hohe Lebensqualität zu erreichen. Wie therapiert wird, hängt natürlich immer davon ab, wie ausgeprägt die Entzündung ist und wie das jeweilige Befallmuster aussieht. Für beide Krankheiten gibt es dazu einen medizinischen Stufenplan, die sogenannte Leitlinie. Am Ende dieses Artikels verlinke ich beide Leitlinien, damit du dir einen fundierten Überblick über die aktuell existierenden schulmedizinischen Therapiemöglichkeiten verschaffen kannst.
Hier nur ein kurzer Überblick über die aktuell bei CED eingesetzten Medikamente:
- Salicylate – Mesalazin, Sulfasalazin
- Kortikoide – entweder lokal (Budenosid) oder systemisch wirkend (Prednison, Prednisolon)
- Immunsuppressiva – z.B. Azathioprin, 6-Mercaptopurin, Methotrexat
- TNF-alpha-Hemmer – z.B. Infliximab (Remicade), Adalimumab (Humira)
- Interleukin-Blocker – z.B. Ustekinumab (Stelara)
- Integrin-Blocker – z.B. Vedolizumab (Entyvio)
- Januskinase-Hemmer – z.B. Tofacitinib (Xeljanz – bisher nur für Colitis Ulcerosa zugelassen)
Auch die Chirurgie spielt in der Behandlung von CED eine große Rolle. Abseits der Notfallchirurgie (Darmverschluss, Toxisches Megakolon) kann eine geplanter Eingriff die Lebensqualität in manchen Fällen lange und nachhaltig verbessern. Achtung: Begib dich unbedingt nur in die Hände eines CED-erfahrenen Chirurgen! Und: vor einer OP sollte man sich immer eine Zweitmeinung einholen.
QUELLEN
Die Informationen zu diesem Artikel stammen von den folgenden Seiten, die ich dir auch als Quelle für die weitere Recherche wärmstens empfehlen kann:
- Die Website der Deutschen Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung. Der große deutsche CED-Selbsthilfeverband. Hier bekommst du immer topaktuelle Infos zu medizinischen, aber auch zu rechtlichen und sozialen Themen.
- Das Gastroenterologie-Portal bietet einen aufgeräumten Überblick über beide Krankheitsbilder, ist aber nicht in allen Punkten aktuell.
- Das Informations-Portal des Berufsverbands Deutscher Internisten, Internisten im Netz.
- Allen Medizin-Nerds (wie mich) unter euch empfehle ich außerdem das DocCheck Flexikon, quasi das „Mediziner-Wikipedia“.
- Hier findest du die von der DCCV laienverständlich aufgearbeiteten Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Morbus Crohn.
- Hier findest du die Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Colitis Ulcerosa.